Säureanschlag: Hinterleute sind weiter frei

Der Mittäter beim Angriff auf einen Top-Manager aus Haan muss für elf Jahre ins Gefängnis.

Von Dirk Lotze
Wuppertal/Haan – Nach dem menschenverachtenden Säureangriff auf einen Haaner Top-Manager der Energie-Industrie 2018 bleibt ein 37 Jahre alter Angeklagter in Haft. Das Landgericht Wuppertal verurteilte den Mann als Mittäter von absichtlicher, schwerer Körperverletzung zu elf Jahren Freiheitsstrafe.
Bewährung ist bei der Höhe ausgeschlossen. Das Gericht wertet die Tat als bezahlten Auftrags-Angriff. Der vorsitzende Richter stellte zu der Attacke in seiner mündlichen Urteilsbegründung fest: „Der Plan war, den Geschädigten auf beiden Augen zu blenden.“
Zuvor hatten die Richter letzte Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt: Selbst wenn Zeugen aus Familie und Freundeskreis dem Mann ein Alibi gegeben hätten, wie angekündigt, wäre die Entscheidung des Gerichts die Gleiche geblieben: Der Angeklagte sei anhand von Indizien überführt. Er habe am 4. März 2018 mit einem bereits abgeurteilten weiteren Mann den Geschädigten beim Joggen im Musikantenviertel abgepasst. Beide hätten diesen zu Boden gebracht, einer habe das Opfer im Gesicht mit hochkonzentrierter Schwefelsäure überschüttet. Der Angegriffene überlebte schwer verletzt. Er war damals Finanzvorstand des Energiekonzerns Innogy und vermutet einen beruflichen Feind hinter der Tat. Nach medizinischen Maßstäben wird er durch Narben entstellt bleiben und unter den Folgen leiden. Das Attentat gilt als beispiellos in der deutschen Industriegeschichte.
Der Angeklagte kam zunächst 2018 in Untersuchungshaft und dann erneut im November 2023. Im Prozess hat er geschwiegen. Teil der Beweiskette sind Angaben eines anonymen Mitwissers aus der kriminellen Szene. Er verkaufte für 150.000 Euro Informationen über den Angriff an den Geschädigten und seine Arbeitgeberin. Das ermöglichte den Prozess. Nach Überprüfung haben sich alle diese Angaben als belastbar erwiesen, stellte das Gericht fest.
Die Staatsanwältin, die 2018 die Ermittlungen geführt hatte, war im Zuschauerraum anwesend. In seinen Erläuterungen verzichtete der Vorsitzende Richter auf jeglichen Kommentar. Die Strafe für den Angeklagten entspricht bis auf ein Jahr dem Antrag der Staatsanwaltschaft. In ihrer Entscheidung bewerten die Richter ihn geringfügig milder als den bereits rechtskräftig verurteilten anderen Mann: Sie nehmen im Zweifel zu seinen Gunsten an, dass nicht er die Säure schüttete. Darüber hinaus berücksichtigte das Gericht, dass die Tat nun sechs Jahre zurückliegt.
Zu den Auftraggebern des Angriffs stellte der Vorsitzende abschließend fest: „Die Kette der Hinterleute ist bis heute nicht aufgeklärt. Es gibt aber solche Personen.“ Gegen das Urteil ist Revision möglich.