Haan steuert auf einen Nothaushalt hin

Kämmerin Doris Abel stellte im Rat der Stadt Haan den Haushaltsplan für das Jahr 2024 vor.

Haan – „Auch unsere Stadt befindet sich in einer extrem schwierigen und kritischen finanziellen Situation und muss – wenn wir es gemeinsam schaffen, ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept (HSK) aufzustellen – in die Haushaltssicherung gehen. Das heißt, wir können über unsere Ausgaben und Einnahmen nicht mehr allein bestimmen und müssen ein genehmigungspflichtiges Konzept aufstellen, das den Weg zur Haushaltssicherung aufzeigt. In einem solchem Konzept müssen wir alle freiwilligen Leistungen und Zuschüsse auf den Prüfstand stellen und auf ihre Finanzierbarkeit hin hinterfragen“, brachte Bürgermeisterin Dr. Bettina Warnecke die aktuelle finanzielle Lage der Stadt Haan auf den Punkt. Anlass war die Haushaltseinbringung im Rat, der am Dienstag, 24. Oktober, tagte.
Haan steht dabei nicht alleine da. Erst vor wenigen Wochen sandte der Städte- und Gemeindebund NRW einen Brandbrief an Ministerpräsident Hendrik Wüst, in dem auf die prekäre finanzielle Lage der Kommunen hingewiesen wird. Mehr als 350 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in NRW, darunter auch Warnecke, unterschrieben diesen Brief, dessen Botschaft deutlich und dramatisch ist: „„Der Fortbestand der kommunalen Selbstverwaltung in unserem Land steht auf dem Spiel“.
Warnecke nannte die wesentlichen Faktoren der bedrohlichen Lage: enorme Tarifsteigerung im öffentlichen Dienst, hohe inflationsbedingten Kostensteigerungen und nicht zuletzt hohe zusätzliche Belastungen durch die Unterbringung von Geflüchteten.
„Der Landschaftsverband macht es sich einfach und gleicht sein Defizit, allein 40 Millionen Euro Personalkosten für einen enormen Stellenaufbau – 400 neue Stellen für inzwischen neun Dezernate – durch erhöhte Umlagen aus. Völlig inakzeptabel und nicht zu rechtfertigen“, erklärte die Bürgermeisterin.
Ob ein genehmigungsfähiger HSK aber überhaupt aufgestellt werden kann, ist fraglich. Kämmerin Doris Abel führte aus: „Nach dem heutigen Stand wird ein Haushaltssicherungskonzept nicht nur unvermeidbar sein, sondern ein Ziel, das wir erst noch während der Beratungen erreichen müssen. Auf Basis der aktuellen Zahlen können wir ein genehmigungsfähiges HSK nicht aufstellen“. Und weiter : „Bereits mit Einbringung des Haushaltes 2023 hatte ich Ihnen angekündigt, dass wir erheblichen Konsolidierungsbedarf haben, um nicht ins HSK zu fallen. Die Situation hat sich im Laufe des Jahres in einem von mir nicht erwarteten Umfang nochmals verschärft, so dass wir innerhalb weniger Monate nicht mehr nur am Abgrund stehen, sondern heute schon den berühmten Schritt weiter sind.“
Um das Ziel HSK zu erreichen, reiche es jedoch nicht aus, „ein paar Beschlüsse zu revidieren“, denn die Ursachen für die prekäre Situation lägen nicht im eigenen Handeln. „Bund und Land weisen den Kommunen immer neue Aufgaben zu, drehen jetzt aber gleichzeitig noch den Geldhahn zu, so dass die Kommunen von Glückstadt bis Garmisch nicht wissen, wie sie ihren Aufgaben gerecht werden sollen und drohen, reihenweise in die Haushaltssicherung zu rutschen“, monierte die Kämmerin.

Im Moment gelte das Prinzip Hoffnung: auf tragfähige Lösungen bei der Flüchtlingsunterbringung und -integration, auf Gesetzesvorgaben, die nicht zu der geplanten überproportionalen Belastung der Kommunen bei der Gegenfinanzierung führen, darauf, dass eine angekündigte Erleichterung im Haushaltsrecht nicht nur kosmetischer Natur ist und „dass verdi in zukünftigen Tarifverhandlungen wieder ein Gespür für die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand entwickelt“.
Für 2024 rechnet die Kämmerin mit einer nochmals erheblich verschlechterten Unterdeckung in Höhe von 11,7 Millionen Euro. Damit verdoppelt sich die Unterdeckung im Vergleich zu 2023.
Eine Bilanzierungshilfe darf nicht mehr einkalkuliert werden. Weil das prognostizierte Jahresergebnis für das Jahr 2023 nicht besser ausfällt als geplant, reicht die Ausgleichsrücklage nicht mehr, um den Fehlbetrag auszugleichen.
Die Unterdeckung im Ergebnisplan spiegelt sich im Finanzplan wider. „Unterdeckung heißt hier konkret: uns fehlt die nötige Liquidität, um allein schon die laufenden Auszahlungen zu decken“, erklärt Abel. „Wären wir ein Unternehmen, hätte ich schon längst Insolvenz anmelden müssen. So aber, müssen wir quasi eine Insolvenz in Eigenregie durchführen, allerdings ohne den Schutz, den das Insolvenzrecht dem Schuldner bietet“. Den Verpflichtungen vollumfänglich nachkommen zu müssen und sie nur über Kassenkredite finanzieren zu können, führe letztlich in die Überschuldung. „Wir füttern die Banken fett“.
„Zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit müssen längerfristig immer neue Kassenkredite aufgenommen werden. Trotzdem müssen Baumaßnahmen fortgeführt und Ersatzinvestitionen vorgenommen werden. „Die Umsetzung wird vielfach allerdings zeitlich gestreckt und unter Umständen auch gänzlich aufgegeben werden müssen“, ist sich Doris Abel sicher.
Auch in den Folgejahren sei keine spürbare Verbesserung der Lage absehbar, auch wenn das Defizit zurückgehe. Durch die Aufnahme weiterer Investitions- und Kassenkredite würden die Zinsen schnell steigen und das Finanzergebnis zusätzlich belasten. Die Unterdeckung sei in allen Jahren hoch. „Bis 2027 werden wir unser Eigenkapital durch die permanenten Fehlbeträge um mehr als die Hälfte aufgezehrt haben. Die Überschuldung ist danach für 2031 zu erwarten“, prognostiziert die Kämmerin.
Insgesamt rechnet Abel zwar auch mit einer Ertragssteigerung von knapp 3,9 Millionen Euro (3,6 Prozent). Aber die Ertragssteigerung halte mit der Ausgabensteigerung nicht mit. Die Aufwendungen in allen Bereichen steigen um 6,7 Millionen Euro.
Der Finanzplan der Kämmerin sieht entsprechend düster aus: Für die Fortsetzung von Baumaßnahmen sowie verschiedener Ersatzbeschaffungen plant die Verwaltung 13,8 Millionen Euro ein. Dafür müssen 7,4 Millionen Euro an neuen Investitionskrediten aufgenommen werden.
Neben diesen werthaltigen Krediten müssen auch Kassenkredite in Höhe von 15,5 Millionen Euro in Anspruch genommen werden, um einerseits das laufende Geschäft und andererseits die Tilgung der Investitionskredite leisten zu können. Die Nettoneuverschuldung steigt damit um 20 Millionen Euro.