Beiermänner geben den Ton an¶

In Gruiten wird eine alte Tradition gepflegt: das Beiern. Es ähnelt einem Glockenspiel.

Von Sylke Jacobs
Gruiten – Einmal im Jahr klingen die Kirchenglocken der römisch-katholischen St. Nikolaus-Kirche im Gruitener Dorf anders – dann läuten sie nicht durch den Betrieb der Glockenanlage, sondern spielen eine traditionelle Melodie.
Das „Beiern“ ist ein alter Brauch, der den Gruitenern erhalten geblieben ist. Die schweren massigen Kirchenglocken werden bei der Technik des „Beierns“ auf eine spezielle Art mit dem Klöppel von Hand angeschlagen – in Gruiten am Nikolaustag und alle zwei bis vier Jahre zu Ehren der festlichen Prozession.

Den Kälberstrick fest im Griff, die Schlaufe gut mit dem Klöppel verbunden zogen Josef Ahrweiler und Ralf Guski am Montag, 12. Dezember, je ihren Glockenklöppel rhythmisch im Takt und schlugen ihn dabei gegen den inneren Glockenmantel.
Kein einfaches Unterfangen, im engen Gebälk des Glockenstuhls grenzt dieser musikalische Akt nahezu an Akrobatik.
Dabei liegt der Ursprung des „Beierns“ im 15. Jahrhundert und verstand sich einst als Überbringer „Froher Nachrichten vom Turm“, meist zu besonderen Anlässen, wie dem Kirchweihfest.
Ermuntert durch die Beiermelodien begannen die Menschen sich zu der melodischen Tonabfolge Sprüche auszudenken: „Wir loben dich, wir preisen dich, denn groß ist deine Herrlichkeit, in ewig, in ewig“ oder „De Kermes kütt, de Kermes kütt, de Kermes, Kermes, Kermes kütt“ – denn die Kirmes galt damals als fester Bestandteil des Kirchweihfestes.
Im Zuge des 2. Weltkrieges wurde das Beiern allerdings eingestellt und in Gruiten entfernte man sogar drei der Glocken aus dem Turm.
„Mein Vater Heinrich Ahrweiler hat das Beiern 1979 zum 100. Kirchweihtag nach Gruiten zurückgebracht“, erinnerte sich Josef Ahrweiler. Er selbst sei damals 27 Jahre alt gewesen und durfte den Vater nunmehr beim Beiern begleiten.
Das sei jedes Mal ein Erlebnis gewesen, die Kälberstricke habe man sich beim Bauern nebenan ausgeliehen, erzählte er weiter. Und für die alteingesessenen Gruitener, die das Beiern noch aus der Zeit vor dem Krieg kannten, sei das ein willkommenes „Comeback“ gewesen.
Ein Comeback hatten zuvor auch die drei fehlenden Kirchenglocken, die während des Krieges entfernt worden waren und 1953 zurück in den Turm kamen beziehungsweise durch neue ersetzt wurden.
Die älteste im Turm verbliebene Glocke ist die St. Nikolaus-Glocke von 1521. Ihre Inschrift verrät: „St. Nikolaus heiße ich, zur Ehren Gottes läute ich, die Toten beklage ich, die Lebenden rufe ich und Jan van Neuss goss mich“. Sie ist mit 1.200 Kilogramm ein echtes Schwergewicht.

In Gruiten bedient man beim Beiern jeweils zwei Glocken, die große Concordia, auch St. Bernhard-Glocke genannt, und die schräg darüber hängende Friedensglocke.
Bevor die drei Gruitener Beiermänner Josef Ahrweiler, Ralf Guski und Stefan Castelli jedoch loslegen können, um die Tonfolge der alten überlieferten Melodien zu spielen, öffnen sie am Turm noch die sogenannten Schalllöcher, die einen wunderbaren Blick von oben auf das Dorf freigeben. Dann beginnt, gut geschützt mit Kopfhörern die harte Arbeit.
Die Männer konzentrieren sie sich auf die Melodie, die sie Zug um Zug synchron im Takt spielen.
„In Gruiten werden zwei überlieferte Melodien gespielt, die eine stammt aus den Erinnerungen meines Vaters und die andere ist von Marianne Clevenhaus, auch die „schwierige Marianne“ genannt“, weiß Beiermann Ahrweiler, dem das Beiern so viel Spaß macht, dass er hofft auch mit 80 noch auf den Turm steigen zu können.
Wer sich für das Beiern interessiert, ist in Gruiten herzlich willkommen, denn Nachwuchs wird immer gebraucht. Kontakt: josef.ahrweiler@t-online.de, Telefon 02104/806000.