Vor 90 Jahren wurde der Gruitener Max Kramer brutal ermordet¶

Am 26. Juli 1933 erschossen Nazis den Gruitener Kommunisten Max Kramer. ¶

Von Susanne Schaper
Gruiten – Aufmerksame Spaziergänger in der Fliederstraße in Gruiten kennen den Stolperstein vor dem Haus Nummer 3: Er erinnert an Max Kramer, der im Alter von 35 Jahren von SA-Schergen barbarisch ermordet wurde. Genau 90 Jahre war das am vergangenen Mittwoch, 26. Juli her. Um an diesen Tag und an das Schicksal von Max Kramer und seiner Familie zu erinnern, hatte Lother Weller vom Gruitener Stammtisch „Geschichte und Geschichten“ zu einer Gedenkstunde am Stolperstein eingeladen.
Die Leidensgeschichte einer ganzen Familie
Eine kleine Gruppe von Bürgern lauschte der Rede, die Lothar Weller vorbereitet hatte. Auch die ehemalige Haaner Stadtarchivarin Birgit Markley war anwesend. Sie hatte vor einigen Jahren die Gelegenheit, in die Unterlagen eines Prozesses mit dem Titel „Mordsache Kramer“ zu nehmen, der 1950 am Landgericht Wuppertal verhandelt worden war und unter anderem die genaue Todesursache klärte. Der Aufsatz, den die Archivarin 2016 nach ihren Recherchen geschrieben hatte, bildete die Grundlage für den Vortrag von Lothar Weller.
Schon als junger Mann hatte sich der 1898 in Thüringen geborene Max Kramer in der KPD und in der Gewerkschaftsarbeit engagiert. 1923 heiratete er auf dem Standesamt Gruiten die damals 19 Jahre alte Helene Schuch, die ebenfalls seit 1920 Mitglied der KPD war und aus einer politisch sehr aktiven Gruitener Familie stammte. Max und Helene Kramer wohnten in Gruiten. 1924 und 1929 kamen die beiden Töchter Thea und Sonja zur Welt, 1930 bezog die Familie zusammen mit den Schwiegereltern Adolf und Selma Schuch eine Wohnung in der Feldstraße 3, ab 1933 Horst-Wessel-Straße, heute Fliederstraße.
Die Leidensgeschichte der Gruitener Familie begann mit einem Funkspruch, den das Landratsamt Düsseldorf kurz nach dem Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 an alle Bürgermeister im Regierungsbezirk abgesetzt hatte: „Dringend. Düsseldorf Nr. 36. Geheim. Sämtliche führenden Persönlichkeiten der KPD ohne Rücksicht auf Abgeordneteneigenschaften (…) sofort in polizeiliche Haft zu nehmen“.
Helene Kramer wurde noch am 28. Februar nachts auf dem Gruitener Bahnhof festgenommen und zunächst ins Gerichtsgefängnis nach Elberfeld, wenige Tage später dann ins Polizeigefängnis Düsseldorf gebracht und am Ende des Jahres dann ins KZ Brauweiler verlegt. Ihr Vater Adolf Schuch wurde am 4. März in seiner Wohnung verhaftet und am 5. August aus der Haftanstalt Elberfeld in das einen Monat zuvor eingerichtete und für seine brutale Führung berüchtigte KZ Kemna in Wuppertal-Beyenburg überführt. Auch der Schwager Otto Ewert, Ehemann der Schwester Helene Kramers und ebenfalls Mitglied der KPD wurde in Schutzhaft genommen. Selma Schuch, die Großmutter blieb mit den beiden kleinen Mädchen unter schwierigsten Lebensumständen zurück.
Max Kramer kehrte im Juni aus dem Gefängnis nach Gruiten zurück und arbeitete als Steinbrecher. Mehrfach erhielt er in den Wochen nach seiner Entlassung Drohungen, dass man ihn liquidieren würde, wenn er sich weiterhin im kommunistischen Sinne betätige.
Am Abend des 25. Juli 1933 trafen sich etliche SA- und NSDAP-Leute in ihrer Stammgastwirtschaft „Neanderhöhle“ im Neandertal. Nach einer ausgiebigen Zecherei machten sie sich gegen Mitternacht auf den Weg nach Gruiten, drangen mit Waffengewalt in das Haus der Familie Kramer ein und nahmen Max Kramer unter Gewaltanwendung mit.
Zunächst bog der Wagen zum Bahnhof Gruiten ab, wendete dann aber und fuhr Richtung Wuppertal. Dort wurde Max Kramer in einem Waldstück an der Straße „In der Beek“ von fünf Pistolenschüssen getroffen und verblutete an seinen Verletzungen. Die Täter ließen ihn dort liegen, fuhren zurück zur „Neander-höhle“ und feierten bis zum Morgen weiter.
Selma Schuch starb 1933 an den Folgen der Aufregungen und Schikanen. Ihr Mann Adolf Schuch starb 1937. Helene Kramer überlebte die Nazizeit in ärmlichen Verhältnissen mit ihren beiden Töchtern in Wuppertal. „Helene Kramer hat Gruiten nie wieder betreten“, sagte Lothar Weller.
1950 wurden die beiden Hauptverantwortlichen an dem Mord von Max Kramer zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt und ihnen die bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit aberkannt.
„1933 hat die damals junge deutsche Demokratie nicht stand gehalten, weil zu wenige die Demokratie gegen die Diktatur verteidigt haben. Heute müssen wir mit Erschrecken feststellen, dass sich um uns herum wieder Rechtsextreme formieren. Diesmal darf die Demokratie nicht gegen den Totalitarismus verlieren. Auch damit soll uns das Gedenken an Max Kramer und die vielen anderen Nazi-Opfer heute erinnern“, schloss Lothar Weller seinen Vortrag.