Knall im Prozess um Säureanschlag

Kurz vor Ende der Beweisaufnahme präsentierte die Verteidigung ein Alibi.

Von Dirk Lotze
Haan/Wuppertal – Es ist ein Paukenschlag im Prozess um den menschenverachtenden Säureanschlag 2018 auf einen Haaner Spitzen-Manager: Der 36 Jahre alte Angeklagte soll ein Alibi haben. Das gab seine Verteidigung im Landgericht Wuppertal erstmals bekannt.
Er habe am Tattag die Trauerfeier für seinen Vater in Belgrad besucht. Sieben Zeugen aus der Familie könnten darüber aussagen.
Zudem habe er damals Haare und Bart anders getragen, als auf einem Foto, anhand dessen ihn der Verletzte wiedererkannt haben soll. Der Angeklagte selbst schweigt im Prozess.
Laut Anklage soll der Mann zusammen mit einem Komplizen am 4. März 2018 den Angriff auf den Haaner Dr. Bernhard Günther ausgeführt haben. Der wurde im Gesicht und am Oberkörper schwer verätzt. Er wird zeitlebens durch Narben entstellt sein und unter den Folgen zu leiden haben. Die Staatsanwaltschaft geht von einer bezahlten Auftragstat aus. Günther, damals Finanzmanager eines deutschen Industriekonzerns, vermutet einen einflussreichen Feind aus seinem beruflichen Umfeld hinter dem Anschlag.
Ein Täter (43) ist als zweiter Mann vom Tatort rechtskräftig verurteilt. Er hat zwölf Jahre Freiheitsstrafe zu verbüßen – für absichtliche, schwere Körperverletzung.
Das Alibi für den nun angeklagten 36-Jährigen brachte seine Verteidigung am neunten Verhandlungstag an, unmittelbar vor Ende der Beweisaufnahme.
Der Mann sitzt in Untersuchungshaft – wie bereits kurzzeitig 2018, als er zum ersten Mal unter Verdacht stand. Die Familienfeier hat er nie angeführt.
Den neuen Angaben zufolge soll sie am Tattag um elf Uhr begonnen haben. Das wäre zwei Stunden nach dem Anschlag in Haan. Mit gewöhnlichen Verkehrsmitteln wäre die Reise in so kurzer Zeit nicht zu schaffen.
Zu der Frisur und dem Bart nahm das Gericht ein Foto in Augenschein, das die Anwälte des Angeklagten ausgedruckt hatten.
Im Hinblick auf das Alibi wollen die Richterinnen und Richter am Montag, 19. Februar, bekannt geben, wie sie weiter verhandeln.
Dazu erläuterte der Vorsitzende: „Es gibt drei Möglichkeiten, damit umzugehen: Man kann bei der Verteidigung nachfragen, man kann dem Beweisantrag nachgehen oder man kann ihn ablehnen.“