Ergebnisoffene Gespräche wären wünschenswert

Nun hat es also Frau Miegel und Herrn Nolde erwischt: sie sind in Haan nicht weiter erwünscht und werden aus dem Straßenverzeichnis der Gartenstadt verschwinden.
Speziell Emil Nolde war ein Mann, den man mit Recht – und das ist noch vorsichtig formuliert – als ambivalente Persönlichkeit bezeichnen kann. Obwohl seine Werke im Dritten Reich als verfemt eingestuft wurden, profitierte er von seinen – sagen wir mal – guten Beziehungen zu den Befehlshabern des NS-Regimes. Er war Steuerhinterzieher und ausdrücklich auch Antisemit und Rassist. Ja, er verleugnete sogar sich selber, indem die krass antisemitischen Passagen seiner Autobiografie in den Auflagen nach 1945 gestrichen wurden.
Die Entscheidungsträger haben also allen Grund dazu, darüber nachzudenken, ob einem Mann wie Emil-Nolde in Haan gehuldigt werden sollte. Andere Städte denken ähnlich: in Hamburg wurde ein wissenschaftliches Gutachten erstellt und die Umbenennung als diskussionswürdig eingestuft.
Nun gut, aber werden jetzt die ohne Zweifel großartigen Werke von Nolde aus den Museen verschwinden? Sicher nicht, denn es besteht ein Unterschied zwischen den Werken und der Person. Das allerdings kann anhand eines Straßenschildes den Passanten nicht unbedingt eindeutig vermittelt werden, schließlich kann die betroffene Straße ja nicht mit Werken des Malers ausstaffiert werden.
Dennoch: eine ergebnisoffene Diskussion mit den Bürgern hätte stattfinden müssen. Dass dies coronabedingt nicht angeboten wurde, ist bedauerlich, denn die Thematik unterliegt deutlich keinem Zeitdruck. Da wurden in Haan schon ganz andere Entscheidungen auf die lange Bank geschoben, die erheblichere Auswirkungen gehabt hätten oder hatten.
Und wie wird das eigentlich mit den weiteren Persönlichkeiten gehandhabt werden, die auf den Prüfstand gestellt werden sollen?
Unzählige Einträge schlagen die Suchmaschinen vor, wenn man den Begriff „Martin-Luther-Kirche“ eingibt. Werden diese Gotteshäuser wohl umbenannt werden müssen, weil Luther bereits am 5. August 1514 forderte „Synagogen anzuzünden und die verstockten Juden auszuweisen“?
Robert Koch zwang kranke Menschen in Afrika in Konzentrationslager und testete an ihnen neue Mittel gegen Tuberkulose. Die Gräueltaten der kolonialen Tropenmedizin wirken bis heute.
Ob großer Reformator, bahnbrechender Mediziner oder kongenialer Maler: diese Beispiele zeigen, dass man Werk und Person durchaus trennen muss, ober würden Sie die Einnahme eines Medikaments gegen Tuberkulose verweigern, nur weil Koch der Wegbereiter dafür war?
Vielleicht ist kritische Aufklärung ohne Verbote der Weg zur Lösung dieses wohl ewigwährenden Problems.