Das passiert, wenn Haaner die 112 anrufen
Seit 2017 kommen die Notrufe aus der Gartenstadt in der Kreisleitstelle in Mettmann an.
Von Knut Reiffert
Haan/Mettmann – Eine Autofahrerin sieht, dass an der Landstraße in Haan-Ost eine Mülltonne brennt. Passanten treffen auf dem Neuen Markt auf einen Senior, der akute Seh- und Sprachstörungen hat. Und in Gruiten ist ein Schulkind nach einem Insektenstich benommen.
Das sind nur wenige Beispiele für Situationen, in denen berechtigter Weise der Notruf 112 gewählt werden kann und soll. Doch anders als von vielen Bürgerinnen und Bürgern vermutet, landet ihr Anruf nicht in der Feuer- und Rettungswache an der Nordstraße, sondern in der für alle medizinische Notfälle, Brände oder auch Hilfeleistungen im Katastrophenschutz zuständigen Kreisleitstelle, die sich im Gefahrenabwehrzentrum am Adalbert-Bach-Platz in Mettmann befindet.
„Das ist schon seit 2017 der Fall“, erklärt Michael Peters, der ein Jahr zuvor die Leitung der Leitstelle übernommen hatte. Nachdem am 1. April 2025 auch Monheim und Langenfeld zugeschaltet wurden, gehen jetzt alle Notrufe aus dem Kreisgebiet in der Zentrale in Mettmann ein. „Dadurch werden wir in diesem Jahr die Schallmauer von 100.000 Notrufen durchbrechen“, ist Peters überzeugt.
Der Überörtlichkeit entsprechend fragt der sogenannte Disponent in der Leitstelle den Anrufer als allererstes nach der Stadt, in der sich das Notfallgeschehen abspielt. „In den meisten unserer Städte gibt es ja eine Haupt- oder eine Düsseldorfer Straße“, erklärt Peters, warum eine eindeutige Zuordnung so wichtig ist.
Nach dem W für Wo sei im Gegensatz zu den früher in Rot-Kreuz-Kursen vermittelten fünf W mittlerweile nur noch ein zweites W für das Absetzen eines Notrufs wichtig. „Und das steht für Warten“, erläutert, der in Titz (Kreis Düren) wohnende Leitstellen-Leiter. Und zwar Warten auf die Fragen des Disponenten. „Der geht einen strukturierten Fragekatalog durch, der gewährleistet, das schnellstmöglich Hilfe vor Ort ist.
Bei medizinischen Notfällen kann so festgestellt werden, welche Kategorie von Einsatzfahrzeug erforderlich ist. Möglich sind Krankentransportwagen (KTW), Rettungswagen (RTW) oder ein mit einem Notarzt besetzter RTW. „Beim Telefonat kann sich aber auch herausstellen, dass der kassenärztliche Notdienst unter 116 117 die sinnvollere Anlaufstelle ist“, weiß Peters. „Immer, wenn klar ist, dass es sich um akute, aber nicht lebensbedrohliche Beschwerden handelt.“
Kreisweites System bietet
flexible Einsatzmöglichkeiten
Als entscheidenden Vorteil der zentralen Steuerung für das gesamte Kreisgebiet sieht Michael Peters die flexible Einsatzmöglichkeit von Fahrzeugen und Personal.
Über ein riesiges Display sehen die Disponenten in der Leitstelle, wo welches Fahrzeug aktuell einsatzbereit ist. „Gut möglich, dass der RTW aus Mettmann schneller vor Ort in Gruiten sein kann, als der aus Haan“, nennt Peters ein Beispiel. „Und wenn der für Haan und Hilden zuständige Notarzt beschäftigt ist, können wir einen seiner kreisweit sechs Kollegen rausschicken.“
Wobei die Zusammenarbeit nicht nur für die kreisangehörigen Städte gilt. „Bei einem Notfall im Ittertal können wir den Einsatz an die Leitstelle in Solingen überstellen, bei einem im Haaner Osten an die Wuppertaler Kollegen.“
In Mettmann wird auch festgelegt, welches Fahrzeug mit welcher Besetzung von der Haaner Feuer- und Rettungswache ausrückt. Die Alarmierung der dortigen Einsatzkräfte erfolgt digital und auf drei Wegen: per Pieper, per Lautsprecherdurchsage und über einen sogenannten Alarmdrucker, der alle wichtigen Informationen zum Einsatz noch einmal schwarz auf weiß zur Verfügung stellt.
Von den 55 Mitarbeitern der Kreisleitstelle sind allein vier damit beschäftigt, die Daten für das Kartenmaterial aktuell zu halten, damit jeder mögliche Einsatzort auch wirklich direkt gefunden werden kann – von der Adenauerstraße bis zum Zwirnerweg. „Jedes neue Haus oder Geschäft und jede Änderung eines Straßennamens oder einer Hausnummer müssen eingetragen werden“, zeigt Peters die Dimension der Datenpflege auf.
Dass die Kreisleitstelle in Mettmann NRW-weit als eine der technisch modernsten gilt, zeigt unter anderem ihre Vorbildfunktion bei der automatischen Übersetzung von Notrufen, die nicht auf Deutsch eingehen. „Die Sprachbarrieren wurden immer häufiger zum Problem“, blickt Peters zurück. „Wir wollen aber, dass sich in einer Notsituation jeder traut, bei uns anzurufen“. Also entschloss man sich, eine Software anzuschaffen, die die jeweilige Fremdsprache erkennt und dem Disponenten in Echtzeit als Text auf Deutsch auf einem Display anzeigt.
Andersherum kann der Disponent Fragen auf Deutsch eintippen, die dem Anrufer dann live von einer Computerstimme in seiner Sprache vorgetragen werden.
„Nachdem sich NRW-Innenminister Herbert Reul und Ministerpräsident Hendrik Wüst bei uns von der Leistungsfähigkeit der Software überzeugt haben, hatte das einen echten Domino-Effekt“, berichtet Michael Peters mit berechtigtem Stolz. „Viele Leitstellen, gerade auch in Großstädten, sind dem Kreis Mettmann gefolgt und setzen jetzt ebenfalls die Simultan-Übersetzung ein.
Einsätze in Haan
Für 2024 nennt die Kreisleitstelle insgesamt 5653 Einsätze mit Bezug auf die Stadt Haan. Und zwar:
– Brandschutz, Technische Hilfeleistung: 652
– Krankentransport: 1455
Notfallrettung: 3546
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