Jugendliche begeistern sich für historische Instrumente

Der Haaner Förderverein eurydike vergibt 12 Musikstipendien an junge Menschen.

Haan – Konzentriert steht Matilda Kaufhold neben einer kleinen Truhenorgel und hält ihre Barockgeige in den Händen. Die 13-jährige stimmt das Instrument nach Gehör: „Früher waren die Saiten nicht aus Stahl wie heute, sondern aus Darm. Deswegen verstimmen sie sich sehr häufig und man muss regelmäßig nachstimmen.“ Nicht nur das: Da die Barock-Instrumente wie ihre historischen Vorbilder keine Feinstimm-Mechanik haben, ist das Stimmen deutlich anspruchsvoller als auf modernen Instrumenten, erklärt Stefan Steinröhder (44) und unterstützt bei der gleichzeitig kraftaufwendigen wie filigranen Prozedur.
Der Remscheider Barockgeiger unterrichtet die Gruitener Schülerin seit einem Jahr in der historischen Spieltechnik: „Durch ein anderes Verständnis von Musik ergibt sich für den Barock ein von heutiger Musik deutlich zu unterscheidendes Spielgefühl, das mehr auf Schwerpunkte und Artikulation setzt.“
Dies zu erlernen, erfordert neben einem entsprechenden Instrument auch Übung und Disziplin. Eine eigene Barockgeige hat Matilda mittlerweile, die regelmäßigen Treffen mit Steinröhder sorgen für die nötige Kontinuität.
Ermöglicht wird ihr dieser Unterricht durch den gemeinnützigen Haaner Förderverein „eurydike e. V.“, der seit 2022 jährlich Stipendien an junge Musiker vergibt. „Wir wollen damit die Alte Musik wieder in die Breite tragen und auch Jugendlichen das Erlernen historischer Instrumente ermöglichen“, sagt Jenny Heilig (30), die Vorsitzende des Vereins und selbst Musikerin auf historischen Instrumenten.
Nach drei erfolgreichen Jahren geht das Stipendienprogramm nun in die vierte Runde. Den 12 diesjährigen Stipendiaten wird dabei entweder ein Instrument ausgeliehen oder wie im Fall von Matilda die Unterrichtskosten erstattet. Ihr ermöglichen die historischen Spieltechniken auf der Geige, im „duck & goose consort“ mitzuspielen, einem Jugendensemble für Alte Musik und historischen Tanz aus Haan. Mit seinen 20 regelmäßigen Mitgliedern auf historischen Instrumenten wie Zink, Gambe und Dulzianen ist es in dieser Form als Jugendensemble einmalig.
Auch Barockposaunen sind Teil des Ensembles. „Die gibt es in allen Größen, von der kleinen Altposaune bis zu dieser drei Meter langen Bassposaune“ erzählt Jonathan Hölling (15). Er hält die neueste Errungenschaft des Vereins in den Händen, den Nachbau einer historischen Bassposaune von Markus Leuchter aus der Eifel.
„Barock-Bassposaunen sind extrem selten und auf dem Gebrauchtmarkt quasi nicht zu bekommen“ erklärt Jenny Heilig die Notwendigkeit zur Neuanschaffung. Der Instrumentenbauer habe extra seinen Arbeitsplan umgestellt, um das Instrument pünktlich zum Start des Stipendiums am 1. März fertig zu bekommen, schwärmt sie.
„Finanziert wird das Programm bisher ausschließlich über private Spenden“, erläutert die Vorsitzende. Der Verein eurydike e. V. ist somit stetig auf Zuwendungen angewiesen, um den Musiknachwuchs weiter fördern zu können.
Die Qualität ist aber gesichert: Jeder Stipendiat muss neben den Ensembleproben mindestens 90 Minuten pro Woche üben und dies auch in einem Tagebuch dokumentieren, oder wie Heilig sagt: „Sie spenden – die Jugendlichen üben!“ Matilda Kaufhold hat die Barockgeige fertig gestimmt und bereitet sich auf das anstehende Vorspiel vor. Da sie sich ein zweites Mal bewirbt, muss sie zeigen, was sie im letzten Jahr gelernt hat. „Ich hoffe nur, mir reißt nicht mittendrin eine Saite“ schmunzelt sie, bevor sich der Raum mit den außergewöhnlichen Klängen der historischen Instrumente füllt.