Kulturtechniker meistern einen gewaltigen Parcours

Ein ganz besonderes Lesekonzert fand am Sonntag im Rockin’ Rooster Club statt.

Von Sylke Jacobs
Haan – Sie setzen die Bausteine der Kultur neu zusammen, vermischen Literatur mit Musik und Beethoven mit Casanova und geben ihrem Konstrukt mittels moderner Technik, eine ganz neue Performance: Die Kulturtechniker, das sind Ralf Werner und Martin Hahnemann. Ihr neues Programm „Electric Casanova“ feierte am Sonntag, 2. Februar, im Rockin’ Rooster Club Premiere.
In Form eines Lesekonzerts näherten sich die beiden Virtuosen dem Werk des venezianischen Schriftstellers und Frauenhelden Giacomo Casanova. Sie nahmen sich die Freiheit, Johann Sebastian Bachs Cellosuite Nr. 1 in G-Dur in einer verändert-elektronischen Fassung zu interpretieren: Werner am Violoncello und Loops, Hahnemann Schauspiel und Rezitation, unterstützt von Ruthilde Holzenkamp am Akkordeon und Chamberlo.
Der Puls ging etwas in die Höhe als Hahnemann begann sich in der erotischen Literatur Casanovas umzuschauen: „Ihr Gesicht so schön, ihre Lippen vollendet sinnlich – auf was anderes sollte ein Treffen mit ihr hinauslaufen, als sich dem Liebeskampf und der Wollust hinzugeben“, rezitierte er eine Passage aus den Memoiren Casanovas. Im Wechsel zwischen musikalischem Spiel und literarischer Rezitation wurde Casanovas gewaltiger Parcours in voller Gänze dargestellt. Besonders an den Schnittstellen, wo Worte den Übergang zu den „Electric Classic Sounds“ fanden, baute sich Spannung auf.
„Unser neuestes Stück ist auch gleichzeitig unser ältestes“, kündigte Werner die Inszenierung an. Casanova habe in seinen Memoiren von 1798 so viele persönliche Dinge niedergeschrieben, dass man damit eine Netflix-Serie drehen könnte. Doch der Venezianer sei nicht nur Schriftsteller und Playboy gewesen, sondern auch viele Erfindungen seien seiner Feder entsprungen.
Werner hatte auch die Idee, das Stück mit Johann Sebastian Bach zu vertonen: „Es war ein großer Wunsch von mir, die Cellosuite zu bearbeiten. Und obwohl Bach etwas früher gewirkt hat, schien uns die Komposition dennoch passend.“
Kennengelernt haben sich Hahnemann und Werner vor 30 Jahren bei einem Theaterprojekt. Mittlerweile hat es Schauspieler Hahnemann jedoch nach Basel verschlagen. Seine musikalisch-literarischen Performances mit Ralf Werner führte er fort. Meist vor rudimentärer Kulisse: ein schwarzes Zimmer, Kerzenschein, ein Tisch und die Instrumente. Der Rest lebt vom Talent und Vermögen der Protagonisten – Mimik, Sprache, Virtuosität.
Electric Casanova: Lässt man sich den Titel der Inszenierung noch einmal durch den Kopf gehen, kommt die Frage auf, was wohl damit gemeint ist: Die Verbindung elektronischer Musik und den Memoiren eines Playboys? Oder darf man den Titel wörtlich nehmen, und Casanova ist auf zeitgemässere Techniken umgestiegen? Oder ist es einfach die längst überfällige Würdigung der berühmten Texte eines Charmeurs?