Stammtisch feiert 20-Jähriges

Im September 2004 wurde der Stammtisch „Geschichte und Geschichten“ gegründet.

Von Susanne Schaper
Gruiten – Längst ist der Stammtisch „Geschichte und Geschichten“ ein etablierter Treffpunkt für Gruitener, aber auch für historisch interessierte Menschen aus den umliegenden Städten. Am 2. September 2004 eröffneten Lothar Weller, Otto Heinze und Johann Peter Kratz den ersten Stammtisch in der Cafeteria des Elisabeth-Strub-Hauses in Gruiten.
Etwa ein Jahr zuvor hatten die drei begonnen, die an vielen Orten verstreuten historischen Akten und Dokumente der Gemeinde zusammen zu tragen und zu sichten. Schnell stellte sich heraus, dass nicht nur kirchliche sondern auch jede Menge weltliche Dokumente aufbewahrt worden waren. Lesen und Schreiben konnte oft nur der Pfarrer, der daher mit allen Themen beschäftigt war.
„Die Vielzahl der Unterlagen war der Grund, unseren ‚Elfenbeinturm‘ der Archivräume nach einem Jahr zu verlassen und den öffentlichen Stammtisch im damaligen Gemeindecafé im Elisabeth-Strub-Haus einzurichten“, erzählt Lothar Weller, der sich immer noch wundert, dass der Stammtisch bis heute Bestand hat: „Damals dachte ich, in zwei, drei Jahren haben wir alles zusammen getragen“, schmunzelt der Hobby-Historiker, der sich über die Jahre ein enormes Wissen angeeignet hat.
Schon beim ersten Stammtisch wurde entschieden, dass dieser überkonfessionell betrieben werden sollte – und das ist er bis heute geblieben. Im Laufe der Jahre wuchs das Archiv beständig weiter. Durch Hinweise der Stammtischteilnehmer wurden etliche längst verschollen geglaubte Zeugnisse wieder gefunden. Alte Unterlagen, die sich im Privatbesitz befanden, wurden dem Archiv überlassen.
„Unser ‚Archivschatz‘ wuchs ständig. Darunter sogar jahrhundertealte Urkunden. Vor wenigen Wochen erhielten wir eine Urkunde, die in vier Jahren ein halbes Jahrtausend alt wird. Das ist ein Erbpachtvertrag von 1528 über ein Fischereirecht in der Düssel“, freut sich Lothar Weller.
Ganze Privatarchive wurden dem Stammtisch übergeben. Glanzlichter sind die Archive Breidbach, Ahrweiler und Kuth, die Sammlungen Schruck, Schuster und Kadatz und das der DLRG Gruiten. Seit kurzem hat auch das Archiv der Kirchengemeinde Schöller mit Dokumenten, die bis ins 15. Jahrhundert zurück reichen, in den Archivräumen Platz gefunden.
Dem ökumenischen Ansatz des öffentlichen Stammtisches ist der Zugang zum Archiv der katholischen Kirchengemeinde zu verdanken. „Hier fanden wir auch die ‚Geburtsurkunde‘ der reformierten Gemeinde Gruiten. In einem ‚Kirchenbüchlein‘, kaum größer als eine Postkarte, aus dem Jahr 1658, mokiert sich ein katholischer Prediger über die ‚Ketzer‘ der Gemeinde, die sich zusammen finden“, erklärt Lothar Weller.
Die historischen Erkenntnisse und Unterlagen, die inzwischen mehr als 100 Ordner umfassen sowie Tausende Fotos und Dias stehen jedermann nach Rücksprache offen. Längst sind die Unterlagen digitalisiert, was die Arbeit erleichtert. Besonders wichtige Dokumente sind in feuerfesten Schränken untergebracht.
Auch dass auf dem Dorfanger ein Backhaus errichtet werden kann, ist dem Stammtisch zu verdanken. Die Stammtischler fanden heraus, dass die Existenz eines „Qualler Backhauses“ für 1674/75 durch eine Eintragung des damaligen katholisches Pfarrers im Kirchenbuch belegt ist. Wichtige Voraussetzung dafür, im denkmalgeschützten Kern von Gruiten ein „neues Gebäude“ errichten zu können.
An der Aufarbeitung der Geschichte des Nikolausturms, wo bei Grabungsarbeiten Skelette gefunden worden waren, war der Stammtisch ebenfalls mit seinem Fachwissen beteiligt.
Mit „Tagen der offenen Tür“ im Gemeindehaus und einem Auftritt beim Dorffest hat der Stammtisch etliche der historischen Neuzugänge öffentlich vorgestellt. Im Gemeindebrief der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinden sind in den vergangenen 20 Jahren eine Vielzahl an“Geschichten“ veröffentlicht worden. Außerdem gibt es auf der 2017 eingerichteten Internetseite „Gruitener Geschichte(n) mehr als 250 Beiträge über Gruitener Häuser, Höfe, Ereignisse und Personen.
Seit 2016 trifft sich der Stammtisch monatlich in Predigthaus, Pastor-Vömel-Straße 47, jeweils am 3. Montag im Monat. Hier treffen sich Menschen, um Geschichten aus der Geschichte der Gemeinde zu teilen. Es gibt kein festes Programm. Meist werden alte Unterlagen wie Zeitungsartikel oder Fotos mitgebracht, und es wird gemeinsam versucht, Personen auf alten Fotos zu identifizieren oder Geschehnisse in ihren historischen Kontext einzuordnen. Der nächste Stammtisch, der Jubiläumsstammtisch wird der 575. sein. Er findet statt am Montag, 16. September, ab 16 Uhr und ist für jedermann offen. Diesmal mit Geburtstagstorte.