St. Josef Krankenhaus ist akut gefährdet¶
Die Pläne der Kplus Gruppe die Stroke Unit weiter zu betreiben, sind gescheitert.¶
Von Anja Kriskofski und Antje Götze-Römer
Haan/Solingen – Die Kplus Gruppe steigt aus der Schlaganfallversorgung aus. Den Antrag, diese 2024 fortzusetzen, habe man in Düsseldorf zurückgezogen, teilte Geschäftsführer Kai Siekkötter am Dienstagabend mit. Das hat auch direkt Auswirkungen auf das zur Kplus Gruppe gehörende St. Josef Krankenhaus in Haan.
Neurologie wurde vom Städtischen Klinikum komplett abgeworben
Hintergrund sei, dass das komplette ärztliche und pflegerische Team der Neurologie der St. Lukas Klinik in Solingen gekündigt habe und zum 1. Januar 2024 ans Städtische Klinikum der Klingenstadt wechselt. Das Klinikum habe zugesagt, dass die Schlaganfallversorgung (Stroke Unit) gesichert sei. Die Klinikum-Geschäftsführung hatte Ende Juli angekündigt, eine eigene Neurologie aufbauen zu wollen.
Für die Kplus Gruppe ist der Verlust der Stroke Unit ein wirtschaftlicher Schlag. Sie versorgt Solingen und den südlichen Kreis Mettmann. Rund 12 bis 14 Millionen Euro erwirtschaftet die Abteilung laut Siekkötter im Jahr. Weil die künftig fehlen, ist auch der Fortbestand des St. Josef Krankenhauses in Haan gefährdet.
„Wir können für Haan derzeit keine Bestandsgarantie abgeben“, sagte Stefan Denkhaus, der Kplus während des Sanierungsverfahrens als Generalhandlungsbevollmächtigter begleitet.
Dass die St. Lukas Klinik Anfang 2024 schließt, hatten die Verantwortlichen bereits im Juni verkündet. Für fünf Gesellschaften der Kplus wurde am 1. September das Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung eröffnet. Im Zuge dessen soll es auch Entlassungen geben.
„Wegen des Weggangs der Neurologie werden wir deutlich mehr Personal abbauen müssen“, sagte Stefan Denkhaus. Zahlen könne er noch keine nennen, es seien nicht nur Arbeitnehmer von Kplus in Solingen betroffen.
90 Mitarbeiter der Neurologie inklusive des Chefarztes, der Oberärzte und des Pflegepersonals haben demnach zum 31. Dezember gekündigt. Siekkötter kritisierte deutlich, dass das Klinikum die komplette Abteilung „abgeworben“ habe. „Das ist ein Schlag in die Magengrube. Das Klinikum hat zu keiner Zeit ehrlich mit uns gesprochen, sondern im stillen Kämmerlein verhandelt.“
Denkhaus warf der Klinikum-Geschäftsführung vor, ausschließlich eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Der Aufsichtsratsvorsitzende von Kplus, Thomas Marx, befürchtet, dass die Schlaganfallversorgung im südlichen Kreis Mettmann deutlich schlechter werde als bisher.
„Bis 31. Dezember werden wir alles dafür tun, um die Versorgung sicherzustellen“, versicherte Kai Siekkötter. Das verbinden die Verantwortlichen jedoch mit einer Einschränkung: Man könne ein Krankenhaus nur führen, wenn auch das Personal da sei, sagte Stefan Denkhaus. „Wenn es medizinisch nicht mehr vertretbar wäre, müssten wir die St. Lukas Klinik früher schließen.“ Die neurologische Versorgung sei nun ein Stück weit Thema des Klinikums.
In dieser Woche soll ein Treffen mit den Leitern der Rettungsdienste stattfinden, kündigte Denkhaus an: „Für den Umzug bedarf es einer Detailplanung.“ Alle Abteilungen der St. Lukas Klinik – außer der Neurologie – sollen zum 1. Januar ans St. Josefs Krankenhaus in Hilden verlagert werden. Dieser Standort sei gesichert. Für das St. Josef Krankenhaus in Haan soll in den kommenden Wochen geprüft werden, wie es weitergeht.
Das Sanierungsverfahren in Eigenverantwortung will die Kplus Gruppe im ersten Quartal 2024 beenden. Mit der katholischen Unternehmensgruppe Alexianer hat Kplus einen Fahrplan für eine mögliche Übernahme notariell beglaubigen lassen.
Haans Bürgermeisterin Dr. Bettina Warnecke äußerte sich am vergangenen Mittwoch zu der aktuellen Entwicklung: „Ich bedaure die plötzliche Rücknahme des Antrags, da das Haaner Krankenhaus damit in akute Gefahr gerät. Das Abwerben von Personal durch das Städtische Klinikum Solingen hat die Kplus Gruppe zu diesem Schritt gezwungen. Der Fokus aller Gespräche sollte in den kommenden Wochen klar auf den Erhalt der medizinischen Versorgung in Haan gelegt werden. Ich bin mir sicher, im Namen aller Haanerinnen und Haaner zu sprechen, wenn ich sage, dass jetzt alles getan werden muss, um unser Krankenhaus zu retten. Es ist für mich nicht verständlich, dass es in der Gesundheitsversorgung anscheinend nicht um die Menschen geht, sondern nur um wirtschaftliche Interessen. Die Qualität der medizinischen Versorgung in Haan und in der Region muss gewährleistet bleiben.“
CDU stellt Dringlichkeitsantrag
Jens Lemke, Vorsitzender der CDU-Fraktion, stellt klar: „Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass wir lediglich aus der Presse erfahren, welche weitere Planungen es gibt, daher haben wir einen Dringlichkeitsantrag für den Sozialausschuss gestellt und gebeten, dass wir weitergehende Informationen aus erster Hand bekommen.“
Wenn der Krankenhausstandort Haan jetzt in Gänze zur Disposition stehe und keine Abteilungen der St-Lukas-Klinik mehr nach Haan ziehen sollen, verschärfe sich die gesamte Situation. „Zuletzt wurde berichtet, dass die Alexianer GmbH aus Münster neuer Investor der Kplus-Gruppe werden könnte. Das hätte ich sehr begrüßt, da sich die Alexianer einem christlichen Menschenbild verpflichtet fühlen. Das hätte gut gepasst. Jetzt haben wir eher den Eindruck, dass die ökonomischen Aspekte überwiegen und der Übernahmekandidat ’schlank‘ gemacht werden soll,“ sagt Annette Braun-Kohl.
In einer Stellungnahme des Kreises vom 10. August hat der Kreis erklärt, warum der Erhalt aller Krankenhäuser im Kreis Mettmann wichtig ist.
„Wir leben in einer dicht besiedelten Region. Die umliegenden Kliniken in den Großstädten können nicht alle Fälle aufnehmen. Der Kreis Mettmann hat eine überdurchschnittliche Altersstruktur und Haan ist noch mal Spitzenreiter im Kreis. Solange bei den sogenannten Maximalversorgern (Unikliniken) nicht die Strukturen aufgebaut sind, können die kleineren Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung nicht geschlossen werden,“ warnt der Mediziner Prof. Edwin Bölke, der an der Uniklinik Düsseldorf tätig ist. Gegen eine Schließung des Haaner Krankenhauses sprächen einige Argumente: so habe es bis 2019 schwarze Zahlen geschrieben. Erst mit Corona und ausbleibender Bettenbelegung sowie den steigenden inflationsbedingten Kostensteigerungen habe die Kplus-Gruppe Schwierigkeiten bekommen. Zudem seien 15 Millionen Euro in den Standort für Operationsräume und Zimmer investiert worden. Haan habe sehr erfolgreiche Abteilungen, die über die Stadtgrenzen hinaus einen guten Ruf haben und hohe Fallzahlen gerade in der Allgemeinen Inneren Medizin.
Die Transportwege und damit -zeiten würden länger, wenn Haan keine Notfallmedizin mehr hätte. Statt zwei Rettungstransportwagen würde ein dritter gebraucht.
„Wir haben über 30.000 Einwohner, 25 Prozent sind älter als 65 Jahre (Land 21,6 Prozent). Die Menschen in Haan machen sich Sorgen und die müssen sehr ernst genommen werden“, meint Bölke.