Haaner (33) vor Gericht wegen Angriffs auf ein Fernseh-Team¶

Ein aufgetauchtes Video stellt im Prozess die Aussagen von zwei Zeugen in Frage.

Von Dirk Lotze

Haan/Wuppertal – Der Fernseh-bericht hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt: Ein Drehteam war während laufender Aufnahmen angegriffen worden. Der Kameramann (50) wurde zusammengeschlagen und verletzt, seine Ausrüstung im Wert von 60.000 Euro zerstört. Vom Dreh waren Bilder voller Gewalt zu sehen, untermalt mit panischen Schreien: „Aufhören, Aufhören!“.
Für das Geschehen muss sich seit Donnerstag, 6. April, ein 33 Jahre alter Angeklagter aus Haan verantworten. Ein gleichalteriger Mann aus Gelsenkirchen steht im selben Prozess als Mittäter vor dem Amtsgericht in Wuppertal.
Ihre Verhandlung begannen beide mit einem Schockeffekt: Nach den Aussagen einer Journalistin und eines Tonmanns präsentierten sie den Richterinnen und Richtern ein Video aus einer Überwachungskamera: Demnach wurden die Vorwürfe womöglich aufgebauscht.
Ein Anwalt der Verteidigung kommentierte nachdem er die Bilder gesehen hatte: „Ich bin ehrlich schockiert.“ Die Aussagen der Journalistin stünden als Lügen da.
Das neue Video erscheint im Prozess viereinhalb Jahre nach dem Geschehen vom Nachmittag des Tattags, dem 8. Oktober 2018, von einem regional agierenden Autohaus in Wuppertal. Polizei und Staatsanwaltschaft kannten es nicht. Die Verteidigung sagt dazu, dass es anfangs nicht bekannt war und dass später der Prozess schon in andere Richtung Fahrt aufgenommen hatte. Dabei passen die Bilder überwiegend zu den Aufnahmen des TV-Teams, bringen aber mehr Überblick.
Bei dem Fernseh-Dreh sollte ein investigativer Beitrag über die Geschäfte des Autohändlers entstehen. Um dessen Arbeit laufen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. Die Redakteurin ging voran auf das Gelände und ließ ihr Handy als zusätzliche versteckte Kamera aus einer Jackentasche heraus filmen. Im Betrieb fragte sie nach dem Geschäftsführer. Ein Mitarbeiter schrieb ihn über Handy an.
Laut Zeugenaussagen erschienen nach wenigen Minuten zwei vermummte Männer, die sofort angriffen. Die Journalisten zogen sich zurück. Vor dem Gebäude hätten sich die Angreifer auf die Kamera konzentriert.
Den Kameramann hätten auf einen Wagen gedrückt, zu Boden geworfen und geschlagen. Er habe Tritte in den Schritt und in den Bauch erlitten. Der Mann ist seiner Anwältin zufolge den Folgen der Tat psychisch erkrankt; er könne nicht mehr arbeiten.
Die Aufnahme der Angeklagten zeigt das Gelände vom Dach des Autohauses aus. Ein Stoß gegen den Kameramann ist zu sehen, dazu ein Tritt gegen seinen Oberschenkel. Es folgt wütendes Eintreten auf die Kamera, die auf dem Boden gelandet war. Mit dem beschädigten Gerät verschwinden zwei Männer im Autohaus. Danach erschien die Polizei.
Den Bildern zufolge hätten Handgreiflichkeiten mit Verletzung und Sachbeschädigung stattgefunden. Es hätte aber keine brutalen Tritte in den Unterleib gegeben, gegen ein schon liegendes Opfer – wie die Redakteurin ausgesagt hat.
Auf Videos des Teams vom Hof des Autohauses sieht man Schatten vom Kameramann und von der Redakteurin, die panisch schreit, man solle aufhören – während keine Schatten von weiteren Personen zu sehen sind.
Ein Anwalt verdeutlichte: „Das Bild zeigt etwas anderes, als was sie sagt. Es geht nur darum, eine bessere Story zu bekommen.“ Seine Kollegin kommentierte: „Der Sender, für den das Team arbeitet, ist bekannt für die extremsten Berichte.“
Die Opfer-Anwältin des Kameramanns hat gefordert, die Aufnahmen der Angeklagten auf Manipulationen zu untersuchen. Das Gericht will am 20. April 2023 weiter verhandeln.