Gedenkveranstaltung setzt Zeichen

Musikschule und VHS gestalteten eine Veranstaltung zum Thema Verschwörungstheorie.

Von Sylke Jacobs
Haan – Anlässlich des internationalen Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus hatte die Musikschule Haan am Freitag, 29. Januar, zu einem musikalischen Dialog in das Forum Dieker Carré eingeladen.
„Fokus der diesjährigen Veranstaltung ist die These, dass Antisemitismus eine Verschwörungstheorie ist, vielleicht die älteste“, erläuterte Martin Kurth, Leiter der VHS Hilden-Haan und damit Kooperationspartner der Musikschule. Der Deradikalisierungscoach Philipp Schlaffer, der früher selbst Teil der Neonazi-Szene war und der Antisemitismusforscher Prof. Alexander Friedmann von der Universität Düsseldorf, beschäftigten sich an dem Abend mit Verschwörungstheorien, deren Gefahr und dem Zusammenhang mit Rechtsextremismus.
Zwischen den Dialogen gab es Musik, vorgetragen von Schülern der Musikschule Haan – entstanden ist ein interessanter Dialog aus Wort und Musik, der die rund 30 Besucher durch den Abend führte. Diverse Songs internationaler Künstler, wie „Purple Rain“ von Prince oder dem James Bond Titelsong „No Time To Die“ von Billie Eilish rundeten die Gedenkveranstaltung ab.

Der Ex-Neonazi Philipp Schlaffer war aus Lübeck per Video zugeschaltet. Die Erinnerungen an seine Zeit in der radikalen rechtsextremen Szene sind noch sehr präsent. „Damals habe ich an Verschwörungstheorien geglaubt“, resümierte der heute 54-Jährige, der seit seinem Ausstieg aus der rechtsextremen Szene als Anti-Gewalttrainer und Deradikalisierungscoach arbeitet. 20 Jahre war er einer der führender Köpfe n der Neonazi-Szene, hat rechtsextremistisches Material verbreitet, sich im Rocker-Milieu der rechten Szene aufgehalten und wurde zweimal als Straftäter verurteilt.
Auf die Frage, ob die „Protokolle der Weisen von Zion“ (antisemitisches Fake-Pamphlet) in der Szene eine Rolle gespielt hätten, antwortete er: „Rechtsextremismus ist divers, vielfach ist die Szene jedoch einfach gestrickt. Desto krasser und cooler die Aussagen, desto mehr Applaus gibt es in den Sozialen Medien. Jegliches Material, egal ob fake oder echt, wird von der rechtsextremen Szene genutzt, um Verschwörungstheorien zu verbreiten. Deutschland hat viele selbst ernannte Könige“.
„Man muss nicht besonders intelligent sein, um die Protokolle als Fälschung zu erkennen“, bemerkte Prof. Alexander Friedmann. Selbst wenn die Fälschung offensichtlich sei, nutze die Szene den Inhalt als hilfreiches Instrument, um die eigenen Vorhaben und Interessen durchzusetzen. Antisemitismus sei immer noch weltweit verbreitet: man sucht einen Feind, der an allem schuld ist. Die Nazis seien in der physischen Vernichtung sehr konsequent gewesen, nicht nur die jüdische Bevölkerung wurde Opfer, auch unzählige Homosexuelle, Sinti, Roma, politisch Andersdenkende, sind umgebracht worden.
„Sind Verschwörungstheorien im Aufwind“, fragte Kurth. „Die Lage ist so günstig wie schon lange nicht mehr“, erwiderte Friedmann. „Erst die Pandemie, dann die wirtschaftliche Entwicklung und nun ein Krieg, der das Potenzial hat zum Weltkrieg zu werden. Ein Einsatz atomarer Waffen kann nicht ganz ausgeschlossen werden. All das schafft günstige Rahmenbedingungen zur Verbreitung von Verschwörungstheorien.