Politik bremst E-Scooter-Verleih

Der Ausschuss für Umwelt- und Mobilität hat die Verwaltung noch nicht mit Prüfung des Angebots von Bolt beauftragt.¶

Haan – Zweieinhalb Jahre hat sich die Technische Beigeordnete Christiane-Petra Schacht in ihrer früheren Funktion als Amtsleiterin in Trier mit der Einführung eines E-Scooter-Verleihs beschäftigt. Ihre Erfahrung daraus teilte sie jetzt den Mitgliedern des Haaner Ausschusses für Umwelt und Mobilität (UMA) klipp und klar mit: „Es gibt keine Verbotsmöglichkeit.“
Dementsprechend ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann die führerscheinfreien Roller, die jeder fahren darf, der mindestens 14 Jahre alt ist, in der Gartenstadt auftauchen. Der erste Anbieter, der an die Stadtverwaltung herangetreten ist, ist die Firma Bolt, die bereits in Hilden und Solingen vertreten ist. Sie hat für Haan eine Kooperationsvereinbarung entworfen. Die soll unter anderem die Anforderungen an die E-Scooter, die Flottengröße, das Geschäftsgebiet und Verbotszonen, das Abstellen und Parken, Wartung und Reparatur, Ansprechpartner, sowie die Entfernung der eigenen E-Scooter im Falle des Rückzugs aus der Stadt regeln. Für mögliche Ergänzungen von Haaner Seite steht eine Frist von einem halben Jahr im Raum.
Schon nach der Berichterstattung im Haaner Treff, dass sich Bolt an die Stadt gewandt hat, ist in der Bevölkerung eine kontroverse Diskussion über Sinn und Zweck der neuen Fahrzeuggeneration entbrannt. Und die setzte sich auf ausgesprochen konstruktiver Weise im UMA fort.
Ein klares Nein zur Einführung kommt nur vom Seniorenbeirat, der durch Dr. Rolf Brockmeyer vertreten war. Der fürchtet, dass auf dem Bürgersteig fahrende oder stehende Scooter ein gefährliches Hindernis vor allem für Sehbehinderte sind.
Dass die Meinung über E-Scooter vom Lebensalter bestimmt ist, wird am Beispiel der SPD-Fraktion deutlich: Während Jörg Dürr sich kritisch zeigt, eine Testphase fordert und dem Verleiher ein enges Korsett an Regeln und Pflichten verpassen will, zählt Martin Haesen nach einer Diskussion mit den Jusos die positiven Aspekte auf: „Damit lassen sich die Lücken im ÖPNV stopfen, die wir überall in Haan haben“, sagt er und führt gleich ein konkretes Beispiel an: „Wenn ich nachts am S-Bahnhof in Gruiten strande, wäre ich froh, so eine Möglichkeit zu haben, um zügig nach Haan zu kommen.“
Dass E-Scooter vor allem für die sogenannte letzte Meile – Haltestelle bis Arbeitsplatz oder Zuhause – genutzt werden, hat der UMA-Vorsitzende Vincent Endereß (CDU) in einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Rheinbahn erfahren. Die hat mit dem Verleihformat in Düsseldorf bereits Erfahrung gesammelt. Seine Parteikollegin Annette Leonhardt weiß, dass Scooter gerne von Frauen genutzt werden, um Angsträume im öffentlichen Raum schnell und sicher zu durchqueren.
„In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Eindruck entstanden, dass sich die Stadtverwaltung schon eindeutig für die Einführung des Verleihsystems positioniert hat“, findet Silke Böhm, die sich als Mitarbeiterin des Bereichs Stadtplanung und Vermessung federführend um das Projekt kümmert. „Dem ist überhaupt nicht so. Auch wir haben darüber sehr kontrovers diskutiert.“ Zudem ist sie sicher: „Bolt ist nur der Anfang, andere Anbieter werden folgen.“
Einig sind sich die Fraktionen darüber, dass der Verleiher gewährleisten muss, dass die E-Scooter nur in bestimmten Zonen abgestellt werden dürfen. Ein Beispiel, wie das technisch möglich ist, kennt Nicola Günther (GAL) aus Nürnberg. „Die Uhr, die den Fahrpreis bestimmt, läuft so lange weiter, bis der Roller auf einem vorgeschriebenen Stellplatz steht.“
Wichtig ist den Politikerinnen und Politikern auch, dass innerhalb Haans Sperrzonen eingerichtet werden können, in denen der Motor aussetzt. So wie es beim Verlassen des Stadtgebiets der Fall wäre. Zudem soll auch die Stadt die Möglichkeit bekommen, die Fahrzeuge orten zu können. Der Verleiher müsse sich verpflichten, nicht regelkonform abgestellt Fahrzeuge sofort zu beseitigen. Jörg Dürr fordert bei Zuwiderhandlungen Sanktionen in Form von Regress-Zahlungen sowohl durch das Unternehmen als auch durch den Nutzer.
Dass solche Maßnahmen mit Hilfe einer Kooperationsvereinbarung in Form einer freiwilligen Selbstverpflichtung durchsetzbar sind, halten die UMA-Mitglieder für unwahrscheinlich. Sie fordern zunächst eine entsprechende Sondernutzungsverordnung, in der die Pflichten und auch die Gebühren festgeschrieben sind. „Und zwar nicht nur für Bolt, sondern auch für alle anderen Anbieter“, wie Nicola Günther betont. Silke Böhm setzt auf ein Zusammenspiel von Kooperationsvertrag und Sondernutzungskonzept.
„Der Anbieter kann nicht einfach seine Scooter hier hinstellen“, ist Meike Lukat (WLH) überzeugt. Es müsse zum Beispiel geklärt werden, ob es sich um Reisegewerbe oder stehendes Gewerbe handele.
Dementsprechend folgte der UMA einstimmig ihrem Vorschlag, die Stadtverwaltung noch nicht zu beauftragen, den Entwurf einer Kooperationsvereinbarung mit der Firma Bolt zu erarbeiten. Stattdessen soll sich zunächst der Ausschuss für Feuerschutz und Ordnungsangelegenheiten mit dem Thema und der Möglichkeit eines Sondernutzungskonzepts befassen.