Wie halten wir es eigentlich mit der Menschlichkeit ganz genau?

Mal ehrlich: Erstaunt es Sie nicht auch immer wieder, dass Ausbildungsbetriebe über Bewerbungen jammern, die vor Rechtschreib- und Grammatikfehlern nur so strotzen?
Dass Industrie- und Handwerksbetriebe, ja sogar der Einzelhandel über einen nicht abnehmen wollenden Fachkräftemangel klagen? Und nicht zu vergessen das fehlende Personal in den Pflegeberufen.
Uns wundert es schon, dann nämlich, wenn immer wieder in den Medien von abstrusen Abschiebeverfahren berichtet wird, gleichwohl wir mittlerweile alle – nach den aktuellen Entwicklungen in Afghanistan – doch mehr ein Gefühl dafür entwickeln müssen, dass selbst unsere außenpolitischen Experten in Berlin die Lage nicht im Griff haben, ja sogar eher den Verdacht hervorrufen, dass sie sich in der Komfortzone der Ahnungslosigkeit bewegen.
Noch im Juli 2018 rühmte sich unser Innenminister damit, dass an seinem 69. Geburtstag 69 Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben wurden. Ganz ehrlich: Uns ist da der Kaffee hochgekommen.
Reden wir über einen jungen Mann, der, weil er als Flüchtling kein Studium beginnen durfte, eine Ausbildung zum Lokführer angefangen hat – wohlgemerkt eine Berufsgruppe, der ganz besonders unter Fachkräftemangel zu leiden hat. Ein sehr intelligenter junger Mann, der seine Ausbildung nicht in drei, sondern in eineinhalb Jahren geschafft hat und sehr schnell seinen Lokführerschein in der Tasche hatte. Der sollte aber genau aufgrund dieser Tatsache abgeschoben werden, denn: keine laufende Ausbildung, kein Bleiberecht. Also drückt der strebsame Mann weitere 18 Monate die Schulbank, statt mit einem Arbeitsvertrag bei der Bahn glänzen zu können und vor allem eine Lok über Deutschlands Schienen zu lenken. Da ist sogar die Deutsche Bahn aus der Hose gehüpft, und der sagt man ja gemeinhin eher weniger Beweglichkeit zu.
Oder die 16-jährige Schülerin, die zur Freude einer Floristin eine solche Ausbildung beginnen wollte, sehr begabt ist und mehr als gute Aussichten auf eine Übernahme hatte. Pech nur, dass die Eltern und die zwei jüngeren Geschwister in ihr sogenanntes Heimatland abgeschoben werden sollen. Ich möchte mal die deutschen Eltern einer 16-Jährigen sehen, wenn ihnen Ähnliches widerführe.
Und nun also der Fall direkt vor unserer Haustür. Es ist dringend an der Zeit, dass wir uns mal an die Vergangenheit unserer Groß- und Urgroßeltern erinnern, die mit offenen Armen in fremden Ländern empfangen wurden und dort vor allem eines durften: In Würde leben und überleben. Das scheint der Familie aus Haan nicht vergönnt zu sein und man kann nur hoffen, dass sich das Schicksal der sechs MENSCHEN zum Guten wendet. Lesen Sie dazu auch unseren Bericht auf Seite 9.