BVV beginnt mit Auszahlung der Spendengelder

Mehr als 170.000 Euro sind bisher auf dem Konto des Bürger- und Verkehrsvereins Gruiten eingegangen.

Von Antje Götze-Römer
Gruiten – „Wir hatten – wenn es hochkommt – mit vielleicht 50.000 Euro gerechnet, die wir mit unserem Spendenaufruf generieren können. Dass es jetzt so viel geworden ist, hat uns förmlich umgehauen“, sagen Wolfgang Stötzner und Ralf Poppel vom Vorstand des Bürger- und Verkehrsvereins Gruiten (BVV).
Mehr als 170.000 Euro finden sich auf dem Sonderkonto (Stand Mittwoch, 11. August), und da seien die 1.500 Euro der Adler Haan, die an diesem Tag überreicht wurden (der Haaner Treff berichtete), noch gar nicht eingerechnet.
Nicht nur die Höhe der Summe, sondern auch die Spendenaktion an sich hat den Verein aber vor ungeahnte bürokratische Hürden gestellt, mit denen anfangs niemand gerechnet hatte.
Zum einen ist da die Satzung des BVV, die eine derartige Betätigung gar nicht vorsah. Kurzerhand musste eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen werden, um den Vereinszweck „die Förderung der Heimatpflege und Heimatkunde in und um Gruiten“ in der Satzung um den Passus „und die Hilfe bei Katastrophen in Gruiten“ zu ergänzen. Es folgten Notartermin und Einreichung der neuen Satzung beim zuständigen Amtsgericht. Ein bürokratischer Husarenritt.
Nun aber ist alles in „trockenen Tüchern“, ganz im Gegensatz zu vielen Wohnungen und Häusern im Bereich Gruiten Dorf.
„Ganz besonders schlimm hat es den Bereich Bracken erwischt“, berichtet Wolfgang Stötzner und davon, dass der Vorstand jeden Einzelnen, der sich mittels einer Schadensmeldung beim BVV gemeldet habe, persönlich besucht und den Schaden begutachtet hat. Selbstverständlich nicht so, wie es ein Sachverständiger tun würde, viel mehr sei es da auch um persönlichen Zuspruch gegangen, darum zu zeigen, dass die Dorfgemeinschaft zusammenstehe.
Zwischen 10 Euro und 15.000 Euro hätten die Einzelspenden gelegen. Die höchste Summe sei von einer Firma in Leichlingen überwiesen worden, die sich zuvor bei der Stadt Haan erkundigt habe, ob der BVV ein seriöser Verein sei. Die Bürgerstiftung für Haan und Gruiten, die Stadt-Sparkasse, Haans Partnerstadt Bad Lauchstädt, eine Firma mit Sitz im Technologiepark, der Lions Club und viele weitere hätten gespendet.
Das Geld wird dringend benötigt, viele Häuser und Wohnungen sind über Wochen oder sogar Monate unbewohnbar. Aber: „Die Nachbarschaftshilfe hat hervorragend geklappt“, freut sich Wolfgang Stötzner darüber, dass jeder eine Unterkunft gefunden habe. Fast 300 E-Mails habe der Verein darüber hinaus erhalten, mit Hilfsangeboten finanzieller Art genauso wie Sachspenden oder Lebensmitteln oder von Menschen, die einfach mit anpacken wollten.
Die neu in Haan ansässige Firma NWS Tools habe Werkzeuge gestiftet, damit die Aufräum- und Reparaturarbeiten vor Ort leichter von der Hand gehen. Die finanzielle Belastung werde sich für viele aber erst herausstellen, wenn die Lüfter ausgeschaltet werden können und es an die Sanierung der Gebäude geht. Viel Arbeit kommt da noch auf die Betroffenen zu und auch auf den BVV. Denn jetzt geht es daran, die eingegangenen Gelder auch gerecht zu verteilen. „Es geht darum, den Menschen zu helfen, nicht die Infrastruktur wieder aufzubauen“, erklären Ralf Poppel und Wolfgang Stötzner. Vorrangig werden Familien und Haushalte unterstützt, dazu der Verein Haus am Quall, das DRK und der Trägerverein Bürgersaal Gruiten, die direkt von der Flut betroffen sind.
Ein Formular müssen die Betroffenen ausfüllen, denn schließlich müssen die Schäden benannt und auch erklärt werden, was für ein Versicherungsschutz besteht, ob sonstige Soforthilfe beantragt wurde. „Ansonsten soll es aber schnell gehen“, verspricht Stötzner und geht davon aus, dass bereits in dieser Woche mit zunächst der Auszahlung eines ersten Pauschalbetrages in Höhe von 2.000 Euro begonnen werden kann. Die Einzelschäden – derzeit meist noch geschätzt – sind zum Teil weitaus höher. Daran werden sich die weiteren Hilfszahlungen orientieren. Sollte der ausbezahlte Betrag inklusive der Zuwendungen durch Dritte, die benötigte Summe übersteigen, sollen die Begünstigten den Betrag an den BVV zurückzahlen, um anderen zur Verfügung zu stehen. Am 30. November möchte der BVV die Aktion auch beenden. „Die Zahl der Empfänger hat sich auf die wirklich kritischen Fälle bereits reduziert“, berichtet Poppel davon, dass einige ihren Bedarf schon wieder zurückgezogen hätten, weil es zunächst schlimmer ausgesehen hätte als es tatsächlich war.
Es gebe aber auf jeden Fall noch Gesprächsbedarf und darum will der BVV möglichst noch in diesem Jahr eines ihrer „Gruitener Gespräche“ unter Beteiligung des Bergisch-Rheinischen Wasserverbandes, der Bürgermeisterin, Betroffenen, der Feuerwehr und anderen Fachleuten führen. „Wir wollen das Erlebte aufarbeiten und einen Blick in die Zukunft wagen, denn schließlich hat es sich um ein völlig untypisches Hochwasser gehandelt, dass wie eine Welle durch das Dorf geschossen ist“. agr

Spendenquittung
Das Ministerium der Finanzen des Landes NRW hat die Regelung bezüglich des Nachweises steuerbegünstigender Zuwendungen (Spendenquittung) am 23. Juli 2021 geändert. Demnach „genügt als Nachweis der Zuwendungen, die bis zum 31. Oktober 2021 zur Hilfe in Katastrophenfällen … eingezahlt werden, der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts“, also zum Beispiel der Kontoauszug.