Osterholz: Barrikaden provozieren

Verbarrikadierung der Umweltaktivisten im Osterholz löst
unterschiedliche Reaktionen aus.

Gruiten – Baumstämme liegen halb auf den Wanderwegen, herabgefallene Äste sind zu Zäunen verflochten, Drahtseile und Verschraubungen sichern die teils hüfthohen Barrikaden. Die Schutzanlagen rund um das improvisierte Hüttendorf der Waldbesetzerinnen und -besetzer im Osterholz bei Gruiten sind nicht mehr zu übersehen – und sie provozieren.
Eine Leserin unserer Zeitung bat die Redaktion um Aufklärung. Ihr Eindruck: „Ich weiß nicht, ob die Naturschützer und Aktivisten dort mit der Art und Weise wirklich was schützen.“
Das Waldstück im Osterholz ist seit Sommer 2019 umstritten. Die Gruppe „Osterholz bleibt“, bestehend aus Nachbarinnen und Nachbarn sowie weiteren Klimaschützenden, kämpft gegen Rodungspläne der Wuppertaler Kalkwerke Oetelshofen.
Das Werk will auf fünf Hektar eine bestehende Halde für Abfall aus dem Kalkabbau erweitern. Grund sei, dass mehr von diesem kalkarmen Abfall in der benachbarten Grube anfällt, als zunächst erwartet. Die Kalkwerke haben wegen der Halde einen Antrag an die Bezirksregierung gestellt, deren Entscheidung steht aus.
Die Waldbesetzung gegen das Projekt wird verantwortet von einer weiteren und unabhängigen Gruppe Aktivistinnen und Aktivisten unter dem Namen „Jeder Baum zählt“.
Die Gruppen gegen die Rodung unterstützen sich gegenseitig. Das Hüttendorf ist zum Besuch frei zugänglich. Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, macht sich bemerkbar und wird hinein gebeten. Immer wieder gibt es Dialog mit der Geschäftsführung der Kalkwerke, persönlich und per Internet.
Die Leserin berichtete auf Nachfrage, sie gehe oft im Osterholz mit ihrem Hund spazieren, weil es dort schön sei. Jetzt, im Winter, sehe man besser als sonst, wie umfangreich die Anlagen der Aktivistinnen und Aktivisten geworden sind. In den Barrikaden habe sie vorübergehend sogar Stacheldraht gesehen.
Jetzt, mit Drahtseilen, finde sie es immer noch gefährlich – für neugierige Kinder, für Leute auf den Wegen und für Tiere. Durch die vielen Personen werde der Boden verdichtet. Das schädige den Wald, auch wenn es sich womöglich erst in zehn Jahren auswirke. Ihre Frage: „Was machen die eigentlich da drin?“
Zwischen den Baumhäusern der Waldbesetzerinnen und -besetzer äußerte eine teilnehmende Person ihre persönliche Sicht zur Aktion: „Wir schützen den Wald.“ Sie sehe keine andere Möglichkeit mehr, das zu tun. Ein Wald sei mehr wert als Geld.
Die Besetzung mit ihren Bauten und Barrikaden mache es aufwendiger und teurer, die Fläche zu roden: „Idealerweise wird der Widerstand – auch außerhalb – so groß, dass die Rodung aufgegeben wird. Ich will keine Gewalt, ich will, dass der Wald in Ruhe gelassen wird.“ Freiraum und Natur solle erhalten werden, so dass nicht alles aus Beton besteht.
Marjolein Schlüter, eine Sprecherin der Anwohnendeninitiative „Osterholz bleibt“, erklärte auf Anfrage zur derzeitigen Situation: „Ich sehe da kein Problem drin, so wie es jetzt ist: offen und frei zugänglich. In der ganzen Zeit seit anderthalb Jahren ist nie etwas passiert oder eskaliert. Wir sind aktiv auf verschiedenen Ebenen und sind froh, dass wir die Unterstützung durch die Besetzung haben.“
Für „Osterholz bleibt“ gehe es nicht nur um das Waldstück vor Ort, fügte Schlüter hinzu: „Ich denke, dass wir Leute bewegen können, etwas an dem System zu ändern und dass wir etwas bei der Bezirksregierung erreichen können.“
Was die Rodung angeht, erklärte sie: „Ich gehe da wirklich gegen an, sonst kann ich es gleich seinlassen mit Einwendungen an die Bezirksregierung. Dann sitzen die das aus und fertig.“ Sie habe Eingaben und Beschwerden geschrieben, bis zur Landesregierung. Schlüter stellte klar: „Das Ministerium und die Bezirksregierung sind auch für die Bürger da.“ Die Redaktion hat die Geschäftsführung der Kalkwerke mit Mail vom 5. Februar 2021 eingeladen, sich zur Situation um das Osterholz zu äußern. Bis Redaktionsschluss ging keine Antwort ein. Diese wird gegebenenfalls nachgereicht. dilo