Kränze und Blumen niedergelegt

Veranstaltung zum Gedenken an den jungen Mann, der Gruiten vor der
Zerstörung rettete.

Gruiten – In Gruiten ist der junge Offizier, der vor 75 Jahren mutig gegen den Befehl, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen, entschied, sein Bataillon nicht auf die vor Gruiten stehenden US-Truppen schießen zu lassen, sondern Gruiten kampflos zu übergeben und dadurch den Ort vor der Zerstörung, Soldaten wie Zivilbevölkerung vor großem Leid zu bewahren, nicht vergessen. Wegen der Pandemielage war zu seinem 100. Geburtstag am vergangenen Sonntag, 3. Januar, kein öffentliches Gedenken möglich, aber Blumenschmuck, an dem sich auch die Stadt Haan beteiligte, vor dem großen Gedenkstein an der Ecke Brückenstraße/K20n-Ostspange, der ihm 2011 gewidmet wurde, hat es geben – und selbstverständlich dürfen dort andere weiterhin beispielsweise eine Geburtstagskerze aufstellen.
Über die dramatischen Ereignisse am 16. April 1945 hat der Haaner Treff mehrfach berichtet. Weniger bekannt, aber für das Verständnis seiner Handlungsweise an diesem Tag wichtig, sind prägende Ereignisse in den davor liegenden Lebensjahren des Johannes Baczewski.
Geboren wurde er am 3. Januar 1921 in Allenstein. Sein Vater, ein preußischer Staatsbürger mit polnischen Wurzeln, war von 1922 bis 1928 Abgeordneter im Preußischen Landtag und setzte sich unter anderem für die Rechte der polnischen Minderheit in Deutschland ein.
Ab 1933 war er Repressalien des Nazi-Regimes ausgesetzt. Am 1. September 1939, dem Tag des Überfalls der Deutschen Wehrmacht auf Polen, wurde er verhaftet und zusammen mit seinem damals 18-jährigen Sohn Johannes und dessen 17-jährigem Bruder von der Gestapo durch ihren Wohnort getrieben.
Der Vater wurde schließlich ins KZ Sachsenhausen verschleppt und dort schwer misshandelt. Johannes und sein Bruder wurden zwar freigelassen, aber mit einem Aufenthaltsverbot belegt, das sie daran hinderte, zu ihrer Mutter zurückzukehren. Das Haus der Familie wurde enteignet.
Johannes und sein jüngerer Bruder durften das Gymnasium nicht weiter besuchen. Für beide war damit die Schulzeit vorbei.
Für Johannes stand die Einberufung zum Militär unmittelbar bevor. Er kommt ihr Anfang 1940 durch freiwillige Meldung zuvor, denn zu Anfang des Krieges setzten sich die Wehrmachtsbehörden noch dafür ein, dass nahe Angehörige von Front-Soldaten aus dem KZ entlassen wurden.
Durch Fürsprache höherer Wehrmachtsoffiziere gelang dies auch für den Vater von Johannes. Im Mai 1940 konnte der Sohn seinen schwerkranken Vater aus dem KZ Sachsenhausen abholen, aber er wusste, dass es jederzeit einen neuen Zugriff der Gestapo auf den Vater geben kann.
Im Zusammenhang mit Aktivitäten einer Frau, die ihm und seinem Bruder nach der Verbannung aus dem Heimatort Unterschlupf gegeben hatte, 1942 ins KZ kam, vom Volksgerichtshof verurteilt und 1944 hingerichtet wurde, sagte er 1983 in einem langen Gespräch mit einer Historikerin: „Ich wusste, was mir blüht, wenn ich mich irgendwie so betätige, dass ich mit den damaligen Gesetzen – als Soldat – in Konflikt komme. Das hätte bedeutet, dass man meinen Vater sofort wieder abgeholt hätte, und meine Brüder natürlich genauso. Ich befand mich in einer gewissen Zwangslage und musste nun eben ruhig sein.“
1945 war die Zeit, in der er ruhig bleiben musste, vorbei, und er entschied am 16. April 1945 in Gruiten nach seinem Gewissen.
Weitere Informationen zu Johannes Baczewski und die Ereignisse in Gruiten gibt es auf „gruitenergeschichte.wordpress.com“. red