Was Italien und Holland mit Karate verbinden kann

Im Karate Dojo im Haaner Turnerbund wird „Inklusion“ mit viel Spaß Ernst
genommen.

Haan – Vor vielen Jahren hörte ich einen Radiobeitrag über Eltern, deren Kinder das sogenannte Down-Syndrom haben. In diesem Beitrag wurde auch Emily Perl Kingsley über ihre Erfahrungen befragt. Sie verglich ihre Schwangerschaft mit einer Reiseplanung nach Italien. Sie hatte sich vorbereitet, belesen und gefreut. Aber das Flugzeug wurde umgeleitet und sie landet stattdessen in Holland. Natürlich war sie traurig, was sie alles nicht sehen und erleben würde. Aber irgendwann reifte die Erkenntnis: „Wenn du dein Leben damit verbringst, dem verlorenen Traum der Reise nach Italien nachzutrauern, wirst du nie offen dafür sein, die einzigartigen und wundervollen Dinge genießen zu können … in Holland“.
In der Kindergruppe des Hakuda Karate Dojo im Haaner Turnerbund (HTB) trainiert seit etwa drei Jahren der zwölfjährige Clemens Lausch. Stolz trägt Clemens, der von allen liebevoll „Clemi“ genannt wird, seinen gelben Gürtel. Den hat er sich selbstverständlich, wie alle anderen Kinder, durch hartes Training und Prüfung verdient. Gemeinsam mit den anderen Hakuda-Kids bereitet er sich aktuell auf seine nächste Prüfung zum siebten Kyu vor.
Wenn man beim Training zuschaut, bemerkt man sofort: Er ist respektiert unter den Kindern. Und doch unterscheidet sich Clemens von den anderen. Wenn Clemens etwas sagt, müssen die Trainerin Alexandra Höner und die anderen Trainer öfter noch mal nachfragen. Dann helfen die anderen Kinder sofort. Sie verstehen das meiste von dem, was Clemens sagt, sehr gut. Und notfalls ist da ja auch noch seine zehnjährige Schwester Clarissa, die versteht ihn immer.
Aufgrund des Down-Syndroms kann Clemens nicht so deutlich sprechen wie andere Kinder in seinem Alter. Dafür führt er seine Übungen mit einem kraftvollen „Kiai“ aus. Auch beim Zählen und Kommando geben ist er laut und deutlich mit dabei. Manchen Übungen fallen ihm schwerer als einem anderen 12-Jährigen und auch ist die Konzentrationszeit etwas geringer. Doch das stört hier keinen, dann macht „Clemi“ zwischendurch eben etwas Eigenes für sich.
Wenn es aber darum geht, gemeinsam zu spielen oder auch zu entscheiden, dann ist Clemens wieder voll dabei und alle nehmen ihn und seine Vorschläge ernst.
In den letzten Jahren wird viel von Inklusion geredet. Dabei dreht sich häufig die Diskussion darum, was alles nicht geht und welche Ausbildung und Unterstützung man braucht. Das mag sicher alles richtig sein. Doch weder haben Alexandra Höner noch die anderen Trainer der Kinder eine spezielle Ausbildung erhalten, wie man mit besonderen Kindern wie Clemens umgeht. Vielmehr sprangen alle (Trainer und Kinder) gemeinsam mit Clemens ins sprichwörtlich „kalte Wasser“ und lernten auf eine wundervolle Art gemeinsam schwimmen.
Wenn man mit offenen Augen durch die Kinderwelt geht, wird man noch mehr solche Beispiele sehen. Da ist der Junge, der aufgrund einer Muskelerkrankung auf den Elektrorollstuhl angewiesen ist. Für die Kinder um ihn rum ist er selbstverständlich einer von ihnen. Oder der Trainer in Solingen, der einfach nicht akzeptieren wollte, dass es Kinder geben soll, die keinen Fußball im Verein spielen können. Und es gibt noch viele solche Beispiele.
Kinder mit Handicap nehmen anderen Kindern nichts weg. Sie brauchen eine gesellschaftliche Akzeptanz, die sie an den gleichen Dingen teilhaben lässt wie andere Kinder. Denn nur so können sie ihre Potenziale zeigen und entfalten. Und sie brauchen Vereine wie das Hakuda Karate Dojo im HTB, die einfach sagen: „Ja klar kannst du bei uns trainieren“. Nicht nur das betroffene Kind profitiert, auch die sozialen Kompetenzen der anderen Kinder steigen. SB