Die Sau wurde durch das Dorf getrieben, nun ist der Hahn tot

Die Informationen zur Herkunft der Redensart „eine Sau durchs Dorf treiben“ sind recht dürftig. Zunächst ist es leicht vorstellbar, dass in einem kleinen Dorf, in dem sonst wenig passiert, schon Aufmerksamkeit erzeugt wird, wenn man Schweine durch die Dorfstraße jagt.
Nach einer Deutung bezieht sich die Redewendung auf die mittelalterliche Schandstrafe, bei der die Delinquenten als Schwein verkleidet durch die Straßen getrieben wurden, was viel Aufmerksamkeit und Spott erregte.
Man verwendet die Redensart oft, um auf die Unnötigkeit und Kurzlebigkeit der erzeugten Aufregung hinzuweisen.
Nun: Die Person, die beschuldigt wurde, zu Unrecht im Rat zu sitzen und demnach auch nicht für die kommende Kommunalwahl hätte antreten dürfen, ist wie die oben genannte Sau durch das Dorf Haan getrieben worden.
Nun hat sie aufgegeben. Am vergangenen Montag erklärte Nadine Bartz-Jetzki gegenüber der Bürgermeisterin, dass sie mit sofortiger Wirkung ihr Ratsmandat niederlege und eine neuerliche Wahl nicht annehmen werde.
So weit so gut, wären da nicht die erweiterten Umstände, die sie zu diesem Schritt bewogen haben.
Anonyme Anrufe, wohl als Aufenthaltskontrollanrufe gemeint, sind da noch harmlos im Vergleich zu ungebeten Gäste, die nachts mit Taschenlampe auf der Lauer liegen, um festzustellen, ob sich die Kandidatin nicht doch woanders aufhält. Richtig unter die Gürtellinie gehen aber die Anfeindungen im Internet. Ja, die Sau wird auch viral durchs Dorf getrieben.
Die persönlichen Anschuldigungen und Nachstellungen seien für Nadine Bartz-Jetzki mittlerweile unerträglich geworden, darum habe sie ihren Rücktritt erklärt.
Davon betroffen war nicht nur der Mensch Bartz-Jetzki, sondern eine ganze Familie. Unabhängig davon, ob die Vorwürfe stimmen oder nicht, sollte an dieser Stelle einmal nach dem „Wie?“ gefragt werden, nach der Angemessenheit der Methoden, mit denen vorgegangen wurde.
Das ist nämlich weder demokratisch noch sauber gewesen und mit dem in Deutschland immer noch geltenden Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermutung schon mal überhaupt nicht vereinbar.
Diejenigen die dafür – ob telefonisch, per persönlicher Inaugenscheinnahme oder über die dann doch „asozialen“ Medien – verantwortlich sind, sollten sich darüber im klaren sein, dass sie es sind, die eine Tat begehen, die nicht akzeptabel ist und sie sich in der Grauzone zu einer Straftat bewegen.
Bei aller Aufregung sollte man den respektvollen Umgang miteinander aufrecht erhalten, denn morgen wird ganz bestimmt eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Und die Rolle des Borstentieres will sicher niemand freiwillig übernehmen.
Am Ende heißt es nämlich, wie in einem aus Frankreich stammenden fünfstimmigen Kanon: „Der Hahn ist tot, der Hahn ist tot, der Hahn ist tot, der Hahn ist tot. Er kann nicht mehr krähn, kokodi, kokoda, er kann nicht mehr krähn, kokodi, kokoda, koko koko koko kokodi, kokoda“.