Konzert auf dem Dorfanger macht Lust auf „mehr“

Rudi Rhode & Brass Band beendeten die kulturlose Zeit in Gruiten mit Musik und Texten.

Gruiten – Eigentlich war das Konzert schon für April geplant – aber Corona machte Musikern, Veranstaltern und Publikum einen Strich durch die Rechnung.
Am Freitag, 7. August, verlegte die Veranstalter Clemens und Gabi Hölter das Event aus den Räumen des Cafés im Dorf auf den Gruitener Dorfanger.
„Corona ist die Sternstunde der Kleinkunst, wenn Großveranstaltungen abgesagt werden müssen“, konnte Clemens Hölter dem Ganzen durchaus etwas Positives abgewinnen. Das Café-Mobiliar wanderte auf den Dorfanger, die Gäste durften bei allerbestem Sommerwetter auf dem lauschigen Platz unter alten Bäumen Platz nehmen und sich mit selbst mitgebrachten Getränken, Kuchen und Knabbereien versorgen.
40 Besucher waren auf zugewiesenen Plätzen mit Sicherheitsabständen zugelassen. Im Vorfeld hatte der städtische Betriebshof die Bäume überprüft und lose Äste entfernt und Joachim Raitor, Mitveranstalter des Dorffestes, hatte für die Stromversorgung gesorgt, so dass einem gelungenen Abend nichts mehr im Wege stand.
Schon einmal hatte Rudi Rhode im Spätherbst 2017 einen Auftritt im Café im Dorf. Damals interpretierte er Songs von Rio Reiser. Am vergangene Freitag hatte er seine Brassband dabei: Andre Enthöfer (Klarinette, Saxofon) und Wolfgang Suchner (Tuba und selbst gebauter Bass). Das Trio hatte als Thema für den Abend „Utopien“ gewählt und als Anfangspunkt Thomas Morus gewählt, beziehungsweise dessen wohl bekanntestes Werk „Von der besten Verfassung des Staates und von der neuen Insel Utopia“, das dieser 1516 verfasst hatte.
„’Utopia’ leitet sich ab von altgriechisch ‘ou’ für ‘nicht’ und ‘topos’ für ‘Ort’. ‘Utopia’ beschreibt also einen ‘Nicht-Ort’“, erklärte Rudi Rhode, der durch den Abend führte, Lieder sang und diese auf dem Akkordeon begleitete.
An diesem Abend nahmen die drei Künstler ihr Publikum gut zwei Stunden mit auf eine Zeitreise durch 500 Jahre Utopie-Geschichte, sowohl in Form von Romanen, Songs oder Theorien. Das musikalisch-textliche Programm „Imagine – 500 Jahre Utopien“, zeichnete diese Utopien nach und verdeutlichte „Eine bessere Welt muss erträumt und erkämpft werden“ (Ernst Bloch).
Dabei wechselten die drei Künstler zwischen Originalzitaten von Thomas Morus, Ernst Bloch, Martin Luther King oder Mahatma Gandhi mit sachlichen Informationen und Songs. „Bis auf zwei Songs stammen die Lieder aus eigener Feder“, erläuterte Rudi Rhode.
Das Programm unternahm einen inhaltlich-künstlerischen Schnelldurchgang durch die Geschichte des uralten Menschheitstraums von einer besseren Welt, der inhaltlich in der Jetzt-Zeit bei der Fridays-for-Future-Bewegung endete. Dabei bewiesen die Künstler nicht nur, wie belesen sie in Sachen ‘Utopien’ sind, sondern auch wie gut sie ihre Instrumente beherrschen und wie sehr sie aufeinander abgestimmt sind: Da genügten kleine Gesten und kurze Blicke, um sich miteinander zu verständigen – oder den Partner auch mal musikalisch an der Nase herum zu führen.
Das handverlesene Publikum hatte die Gelegenheit die drei Künstler hautnah in besonderer Open-Air-Atmosphäre zu erleben und genoss das Konzert sichtlich. „Ich mag die Mischung aus Musik und Informationen. Ich habe viel Neues gelernt heute Abend“, erklärte Judith Bolz. „Das sind nicht nur tolle Musiker, sie haben uns heute Abend ordentlich den Spiegel vorgehalten“, meinte Rolf Rheinschmidt. „Die Veranstaltung hat mich sehr nachdenklich gemacht“, erklärte Joachim Raitor. So erstaunte es kaum, dass das Publikum das Trio mit großem Applaus belohnte und den Platz mit dem Wunsch verließ, dass hier noch viel mehr kulturelle Veranstaltungen stattfinden mögen. sus