Haaner Kirmes: Aufgeschoben ist manchmal doch aufgehoben

Am vergangenen Montag, 10. Juli, war internationaler Stadtschreiertag. Diese Position bezeichnete in der Vergangenheit einen Beschäftigten der Gemeinde, dessen Hauptaufgabe die mündliche Verbreitung amtlicher Bekanntmachungen und sonstiger Angelegenheiten in einem Ort war. In der Regel übernahmen ausschließlich Männer dieses Amt, das in vielen Städten auch die Überbringung von Amtsbescheiden oder ähnlichen Schriftstücken umfasste.
Während man im angelsächsischen Sprachraum von Town Crier oder Bellman spricht, ist der Beruf des Stadtschreiers in Deutschland eher unter der Bezeichnung Gemeindediener oder Ausrufer oder Ausscheller bekannt. Letztgenannte Bezeichnung ergab sich vor allem durch den Umstand, dass die Gemeindediener häufig eine Glocke bei sich führten, mit der sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ihre Verkündung zogen.
Der Posten des Gemeindieners hatte bis Mitte des 20. Jahrhunderts ein sehr hohes Ansehen und nicht umsonst galten viele Männer als angesehene Persönlichkeiten ihrer jeweiligen Gemeinde. Und das weltweit. Nicht umsonst lässt zum Beispiel die britische Krone die Geburt von Nachwuchs und Thronfolgern nicht über die Presse oder Social Media Plattformen verbreiten, sondern durch einen Town Crier. Zuletzt war dies bei der Geburt des Sohns von Prinz William und Herzogin Kate im Juli 2013 der Fall. Dennoch gilt der Berufsstand inzwischen als weitestgehend ausgestorbenen, denn seit den 1950er Jahren wurde das Aufgabenfeld sukzessive durch Ortsrufanlagen und Druckschriften ersetzt. In der heutigen Zeit dürfte Ihr Haaner Treff viele der Aufgaben übernommen haben, die in früheren Zeiten zu denen eines Stadtschreiers gehörten.
Wenn es aber in Haan noch einen echten Stadtschreier aus Fleisch und Blut geben würden, dann hätte dieser in der vergangenen Woche einen Job zu erledigen gehabt, der viele Haaner zum Schreien im Sinne von verzweifelt weinen veranlasst hätte. Er hätte die traurige Botschaft zu verkünden gehabt, dass des Haaners liebstes Kind in den berühmten Brunnen gefallen ist. Was viele befürchtet und die meisten wohl bereits geahnt haben: Die Haaner Kirmes wird in diesem Jahr aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie ausfallen.
Das ist sicher kein Weltuntergang, allerdings ist es auch so, dass gerade die Schausteller unter den Einschränkungen während der Corona-Krise zu leiden haben. Deren teilweise Anstrengungen über einen gewissen Zeitraum in einigen Städten so etwas wie einen Freizeitpark auf Zeit zu errichten, ist so ziemlich ins Leere gelaufen und lockt nur wenige Besucher an.
Was zeigt, dass jedes Volksfest, so auch das Münchner Oktoberfest oder die Haaner Kirmes, eben doch nicht nur durch das lebt, was die Schausteller alleine zu bieten haben. Es gehört auch eine gewisse Atmosphäre dazu, wie beispielsweise in einem der riesigen Bierzelte auf der Theresienwiese oder der atemberaubende Blick aus dem Riesenrad über die Gartenstadt.
Nehmen Sie es gelassen, die nächste Kirmes kommt bestimmt, und wenn Sie es ganz positiv sehen wollen: Manche lieben auch die Wartezeit bis dahin.