So erleben die Haaner die Krisenzeit

Haanerinnen und Haaner berichten aus ihrem Alltag in Zeiten des Umgangs mit einem Virus.

Haan – In unserem Kommentar vom vergangenen Mittwoch hatten wir einen Aufruf gestartet, uns zu schreiben, wie Sie den Alltag in diesen Tagen erleben. Einige unserer Leser sind diesem Aufruf gefolgt, zum Beispiels unsere Leserin Birgit Schwitalla: „Was bietet mir diese ungewohnte Zeit? Deutlich mehr Ruhe! Auch wenn ein Freiberufler-Dasein in dieser Zeit nun noch mehr als sonst zum Drahtseilakt mutiert.
Die Tatsache, dass manche Arbeiten einfach nicht mehr gestattet sind, hilft einem selbstständigen Unternehmer wie mir, die Zeit mit weniger (oder ohne Arbeit) etwas entspannter zu nehmen als sonst. Normalerweise muss man sich auf Akquise stürzen, wenn kein Job da ist. Momentan nützt auch das nichts.
Es gibt einem die Zeit, sich um liegen gebliebene Dinge zu kümmern. Dinge zu erledigen, wie Steuern bearbeiten, Internetseite aktualisieren, Lager und Daten aufräumen. Aber auch und ganz besonders den Frühling beobachten. Die Entfaltung der Natur zu betrachten.
Ich persönlich habe es letzte Woche genossen, eine kleine Foto Tour in meiner allernächsten Umgebung bei schönstem Sonnenschein zu starten. In den letzten Jahren war im Frühling zu häufig so viel Arbeit, dass ich mir diese ZEIT nicht nehmen konnte. Nicht im richtigen Moment bei Sonnenschein am Nachmittag.
Den Blüten und Blättern auf die Pelle rücken – mit der Kamera aufs Detail schauen und zum Beispiel die plisseeähnlichen Faltenknospen- und Blätter der Buchen ganz nah zu betrachten. Endlich mal wieder die ungewöhnlich sanft farbige Felsenbirne beim Öffnen der Blätter im schrägstehend Licht der Nachmittagssonne abzulichten.
Schön war auch eine Gruppe von Nachbarskindern zu treffen, die gleich neugierig (nacheinander und mit gebührendem Abstand) schauten, was ich mit der Kamera eingefangen hatte. Eins der Mädels hatte für den Bio-Unterricht die Aufgabe, Frühblüher zu suchen und zu fotografieren. Gleich tauschten wir eifrig unsere Bilder und Erfahrungen aus. Sie lief nach unserer Foto-Plauderei sofort zur rosafarben blühenden Kamelie rüber, suchte einen schönen Ausschnitt und notierte den Namen.
Sonst fehlt mir zu oft die ZEIT für Geschichten, Austausch mit den Kindern oder Nachbarn. Jetzt im Moment darf ich diese Momente ohne schlechtes Gewissen genießen. Mit Abstand über den Zaun. Ganz normales Leben mit Einkaufen, Kochen Gartenarbeit. Alltagsleben ohne Stress, weil der Tag ohne oder mit reduzierter Homeoffice Arbeitszeit abläuft. Mit nachbarschaftlicher Kommunikation und gegenseitiger Unterstützung.
Schwerpunkt ist grad das normale Leben und Familie versorgen statt in Hetze und Eile dem Business nachzurennen, ohne die Familie zu vernachlässigen. Alles mit ungewohnter Zeit und und Ruhe erledigen und abends zur Ruhe kommen, statt noch aufzuräumen oder die Steuer zu bearbeiten.
Es … fühlt sich so normal an, wie in einem alten Film der 50er und 60er Jahre … wo alles langsamer ablief als heute.
Ich hoffe, dass uns diese Zeit etwas aus dem Wahnsinn herausholt, in dem wir wie die Hamster im Rad des Alltags gegen die Uhr rennen. Ich hoffe, dass wir etwas achtsamer auf unsere Gewohnheiten schauen und herausfinden, was wirklich wichtig und gut für uns ist. Ich hoffe, dass wir unseren Konsum betrachten, und lernen, was und wie viel wir wirklich brauchen. Ich hoffe, dass wir diese Zeit nutzen, um etwas mehr über uns selber zu lernen, weil wir mehr Zeit für uns selber haben.
Ich freue mich, dass der Planet im Klimawandel davon profitieren wird, dass wir in dieser Krise die Umwelt zwangsweise weniger belasten. Ich freue mich, dass wir in unseren Familien Erfahrungen machen, die sonst vorwiegend in der Ferien- und Urlaubszeit möglich sind. Ich wünsche mir, dass die Krise schnell vorbei geht, damit unsere Existenzen nicht zusammen brechen – bei weniger Arbeit und weniger Geld.
Ich danke allen, die in der Krise weiter arbeiten und die lebensnotwendigen Belange in der Versorgung aufrecht erhalten. Abends um 21 Uhr am Fenster applaudieren und im Supermarkt mit Wertschätzung jeden Mitarbeiter lächelnd grüßen.
Beethovens Ode an die Freude als Europahymne ganz neu erfahren. Die Krise hat Potenzial für Veränderungen in der Gesellschaft und eine Krise bringt immer Chancen für VERÄNDERUNG und NEUES.
Was ich absolut genieße und nach der Krise beibehalten möchte? Die Verlangsamung! Aber ich bin auch schon Ü50. Birgit Schwitalla

Wie gestalten Sie ganz persönlich ihren veränderten Alltag? Welche neuen Erfahrungen machen Sie, mit welchen Hindernissen und Hürden haben Sie zu kämpfen? Welche Ängste und Hoffnungen begleiten Sie durch die Zeit des Corona-Virus?
Sie können uns weiterhin ihre Geschichten und Erlebnisse schreiben, derzeit leider nur elektronisch an die E-Mail-Adresse redaktion@haanertreff.de. agr